Karibik im Kurhaus:Rhythmus und Glanz

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Lebensfreude in schneeweißem Satin: Die Tänzerinnen und Tänzer des Ensemble Pasión de Buena Vista bringen karibisches Flair in das Tölzer Kurhaus. (Foto: Manfred Neubauer)

Das Ensemble Pasión de Buena Vista beeindruckt in Bad Tölz mit Musik, Tanz und schillernden Kostümen. Das Publikum bleibt trotzdem sitzen.

Von Thekla Krausseneck, Bad Tölz

Es ist eine schillernde Show, im Wortsinn: An Schlagzeug und Trommeln glänzt der Chrom, die Scheinwerfer färben den Nebel bunt, und das cremefarbene Kleid der Sängerin Lisbet Castillo-Montenegro funkelt wie der Lidschatten über ihren langen Wimpern. Die Tänzerinnen in den schneeweißen Satinkleidern strahlen mit breitem Lächeln ins Publikum des Tölzer Kursaals, ihre silbrigen Schulterteile flimmern dabei mit denen ihrer männlichen Tanzpartner um die Wette. Und während draußen noch Schnee auf den Straßenkanten sitzt, liegt im Kurhaus Kuba in der Luft, ein rauschender Wirbel aus Farben, Licht, Eleganz, Rhythmik und vor allem: Lebensfreude.

Das Ensemble Pasión de Buena Vista ist eine in die Welt getragene Liebeserklärung an die größte karibische Insel; an weiße Strände, an den nicht zu trübenden Optimismus der Kubaner, an diese "einzigartige Mischung aus Melancholie und Fröhlichkeit, Musik und Tanz", wie die Gruppe in ihrem Programmheft schreibt. In Tölz trifft sie auf ein Publikum, das sich von den Kubanern kaum stärker unterscheiden könnte, auf sitzende Konzertbesucher, die allein mit den Augen und Ohren genießen. Das gibt ein unfreiwillig komisches Bild: Oben auf der Bühne mal feurige, mal romantische Salsa-, Rumba- und Cha-Cha-Cha-Rhythmen, die die Lust aufs Tanzen mächtig anheizen; unten im Saal gut dreihundert Zuschauer, die jede Pause zwischen zwei Darbietungen zwar mit stürmischem Applaus füllen, ansonsten aber die Köpfe über den ordentlich aufgereihten Stuhllehnen stillhalten. Nur am Rand des Saals tanzt eine Besucherin im Schatten versunken und allein vor sich hin.

Doch es hat auch sein Gutes, dass nicht alle mit Tanzen beschäftigt sind, denn der Auftritt der Pasión de Buena Vista hat etwas Magisches, das nicht nur über die Ohren, sondern auch über die Augen aufgenommen werden muss. Einer dieser magischen Momente geschieht, als die Tänzerinnen von der Bühne wirbeln und sich das Licht plötzlich mitternachtsblau färbt. Hier und da ein türkisfarbener Schimmer, der den Eindruck von Tiefe erweckt. An der Wand im Hintergrund ist das Bild eines Hauses zu erkennen, auf dessen Dach der Schriftzug "Pasión de Buena Vista" zu lesen ist; daneben strebt eine Landstraße dem Fluchtpunkt entgegen, darüber hängt ein von Wolkenfetzen verhängter Mond, den die Scheinwerfer geheimnisvoll leuchten lassen. Ein betagter Mann im dunklen Anzug gleitet wie Rauch über die Bühne, Estanislao "Augusto" Blanco Zequeira, Jahrgang 1939. Mit dem Mikrofon die Krawatte verdeckend und unter dem Hutrand hervor durch große Brillengläser blickend, stimmt er mit tiefer Stimme einen romantischen Song an. Stimmungsvoll ist auch der Auftritt des Gitarristen Yordanys Núnez-Rosales, der dramatisch anmutend mit gegeltem Haar, königsblauem Hemd und blitzender Gürtelschnalle auf die nun schwarze Bühne tritt und in die erwartungsvolle Stille eine klare, helle Melodie zupft, die an Geschwindigkeit zulegt und Bilder von karibischen Inseln heraufbeschwört.

Als sich das zweistündige Feuerwerk dem Ende zu neigt, kommen die Tölzer doch noch in Bewegung. Die Tänzerinnen und ihre Partner springen von der Bühne, fassen überraschte Frauen und Männer der vorderen Reihe an den Händen und komplimentieren sie das Treppchen hinauf: Die Bühne füllt sich, und was angesichts der im Vergleich zu den Tänzerinnen eher unbeweglichen Hüften der Zuschauer peinlich hätte werden können, wird zu einem großen Spaß für alle Beteiligten. Der Rhythmus erweist sich als so ansteckend wie vermutet, und endlich wird getanzt. Das sieht dann selbst von außen sogar so harmonisch aus, als gehörten die Auserwählten heimlich zum Ensemble.

© SZ vom 29.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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