Kämpferische Stubnmusi:Rebellinnen an der Nonnentrompete

Lesezeit: 3 min

"Wenn ihr keine Gnade kennt, kennen wir auch keine": Die "Wellküren" durften ihren Auftritt im Geltinger "Hinterhalt" erst nach der vierten Zugabe beenden. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die drei "Wellküren" spannen im "Hinterhalt" einen Bogen von Oberschweinbach bis ins Weltall

Von Arnold Zimprich, Geretsried

"Willkommen im Katastrophengebiet", mit diesen Worten begrüßt Moni Well-Hösl am Samstagabend die Gäste im Geltinger "Hinterhalt". Welche Gefahren die Besucher auf sich nehmen mussten, um zur Kleinkunstbühne zu kommen, möchte sie sich gar nicht ausmalen. "Dass ihr so was habt's in dera Gegend, is scho was Bsonders!" Die Wellküren stammen aus der großen Musikerfamilie Well, aus der einst auch die Biermösl Blosn hervorging. Seit 1986 steht das Trio auf der Bühne - und versteht sein Handwerk. Das Publikum im nahezu voll besetzten "Hinterhalt" geht von Beginn an mit. Bei den Wellküren trifft der rebellisch-musikalische Well-Geist auf sprühende Virtuosität und Sprachmacht auf Dialektpflege.

Bis 2005 war Veronika "Vroni" Well mit von der Partie, wurde dann aber in einem "familieninternen Casting", wie es auf der Homepage heißt, durch Barbara "Bärbi" Well-Pixis abgelöst. Well-Hösl, Well-Pixis und Notburga "Burgi" Well fahren eine erstaunliche Instrumentenauswahl auf. Die drei singen, sprechen und musizieren auf Posaune, Tuba, Harfe, Hackbrett, Sopransaxofon, Gitarre und der Nonnentrompete. Und stellen ihr Licht nicht unter den Scheffel.

Die "Stubnmusi" der Wellküren sei es, die das Bayernland zu dem gemacht habe, was es ist, behaupten die drei, nicht die Leistungen eines Franz Josef Strauß oder eines Horst Seehofers. "Die WAA haben wir mit unsrer Stubnmusi verhindert, am Söder samma a scho dro." Was sind schon 38 Prozent? Zudem verkaufen sich die Wellküren als der heißeste bayerische Kulturexport. "In der Elbphilharmonie ham's uns ned woin, auf der Reeperbahn waren wir der steilste Zahn." Hätten sie früher noch "vom Bacherl, vom Bergerl und vom Wieserl" und später vom "Fensterln" gesungen, herrsche bei ihren Auftritten jetzt eine "Stimmung wie bei den Rolling Stones".

Tatsächlich gelingt es den dreien, die Bewegung "Stugida" auszurufen, die "Stubenmusik gegen die Idiotisierung des Abendlandes", und zugleich das "Wisching Well" zu bewerben, ein rosafarbenes Putztuch, das auch im Online-Shop der Wellküren erhältlich ist.

Online-Shop hin oder her: "Scheiß auf des Internet" ist die Antwort der Wellküren auf den überbordenden Internethandel und von UPS und DHL verstopfte Straßen. Mitverantwortlich dafür sei der "Seiber Mandai". Zwischendurch streuen sie dadaistische Intermezzi ein, verlieren sich in Silbenspielen, das bairische Idiom wird zum Baukasten, aus dem sie sich virtuos bedienen, den Refrain von "Auf einem Baum ein Kuckuck saß" nehmen sie nach Herzenslust auseinander.

Schließlich steigert sich Moni Well-Hösl in eine Hasstirade gegen den aktuellen Politikbetrieb, kriegt sich mit hochrotem Kopf fast nicht mehr ein. Zum Glück hat Barbara Well-Pixis, die "ambitionierte Amateur-Homöopathin", für alles und jeden ihre Globuli dabei: "Reg di ned auf." Wobei ja eigentlich die "Stubnmusi" das Allheilmittel ist und "auch zur Empfängnisverhütung" taugt.

Die Männer kommen an einem solchen Abend natürlich nicht zu kurz. In ihrem Heimatort Oberschweinbach hätten sie den "Männerschutzverein Gloria" gegründet, erklären die drei. Benannt nach Gloria von Thurn und Taxis, der verkannten Vorreiterin in der bayerischen "Me Too"-Debatte. "Da dürfens Fingerhakeln, Bier trinken, und mir bringa eana des Schafkopfen bei." Dort dürfe der Mann noch Mann sein, erst recht, wenn die Nasen und Ohren im Alter größer würden und die Haare dort wüchsen, wo sie eigentlich nicht wachsen sollten. Leider habe der Verein bisher nur fünf Mitglieder, "und oana davo is scho wiada nausgflogn" - Monika Well-Hösls Mann. "I wui endlich mei Ruah" wird zum Pamphlet zur Selbstbesinnung in Zeiten äußerer Unruhe, ehe sich die Wellküren auf Ahnenforschung begeben. Von einem Bader stammen sie ab, der auf der Walz auf einem Südtiroler Bergbauernhof hintereinander drei Kinder zeugte: "Beim dritten ham's gsagt, jetzt derf er sie alle mitnehma - des war unsere Mutter."

Den Wellküren gehen die Ideen nicht aus. Gegen Ende des Abends intonieren sie das "Lied vom Tod" auf den kurios anmutenden Nonnentrompeten und nehmen das Publikum auf der "Bavaria One" mit in den Weltraum. Mit der Ankündigung "Wenn ihr keine Gnade kennt, kennen wir auch keine" wird das Publikum nach drei Zugaben mit einem kurzen, derben Sprechstück in den Abend entlassen.

© SZ vom 14.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: