Kabarettistischer Jahresrückblick:Bis an die Schmerzgrenze

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Django Asül erklärt in Bad Tölz das abgelaufene Jahr. Einziges Hilfsmittel: ein Bierkrug, gefüllt mit Tee. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Aufhellungscreme, ein Kompliment von Donald Trump und Politikerschelte: Django Asül erklärt, was im Jahr 2017 wirklich wichtig war

Von Sabine Näher, Bad Tölz

Einen Kabarettisten, den man aus dem Fernsehen kennt, zum ersten Mal live zu erleben, ist eine spannende Angelegenheit. Mancher bleibt weit hinter den hoch geschraubten Erwartungen zurück. Django Asül ist eine positive Überraschung: Er ist spontan, lustig, sympathisch und so erfrischend uneitel, dass sich der eine oder andere Kollege gerne mal ein Beispiel an ihm nehmen könnte. Volle Punktzahl also für den Akteur; für das Programm gibt es aber leider nur 85 von 100 Punkten. Denn, die Bezeichnung "satirischer Jahresrückblick" legt es nahe, da wird alles nochmals aufgerollt, was 2017 so von sich reden machte.

Der eine oder andere Besucher nehme das zum willkommenen Anlass, so Asül, sich übers Jahr gar nicht mehr mit der Rezeption von Nachrichten zu beschweren, sondern sich von ihm kompetent und kompakt in einem Rutsch kurz vor dem Rutsch informieren zu lassen. Wer die Nachrichtenlage übers Jahr hingegen verfolgt hat, erlebt die eine oder andere Wiederbegegnung mit Themen, auf die man auch hätte verzichten können. Nicht zuletzt, weil sie von anderen Kabarettisten bereits hinlänglich ausgeschlachtet wurden. Wenn beispielsweise der Berliner Flughafen oder Ursula von der Leyens Hardware-Probleme bei der Kampfausstattung der Bundeswehr aufs Tapet kommen, ist die spontane Reaktion: "Och nö, nicht schon wieder".

Wenn Asül die in jedem Kabarettprogramm unweigerlich vertretene Ministerin mit den Worten zitiert "Unsere Luftwaffe ist prima! Man darf sie bloß nicht einsetzen wollen", wird's doch wieder lustig. Gleiches gilt für die viel zitierten "Komplimente", die Donald Trump meinte, der Frau des französischen Präsidenten machen zu müssen: "Der hat das missverstanden: 25 Jahre Alterunterschied. Er hat gerechnet: Ich bin 71, dann ist die 96! Deshalb hat er dann irgendwas von 'such a good shape!' gemurmelt, als er sie zum ersten Mal traf." Bei näherer Überlegung sei ihm dann klar geworden, dass der Macron da wohl einfach plus und minus verwechselt habe. Letztlich schafft es Asül, jedem Thema, sei es noch so ausgelutscht, durch seinen gekonnten Zugriff doch noch eine witzige Seite abzugewinnen.

Daher wird viel gelacht im fast ausverkauften Kursaal. Hilfsmittel braucht der Kabarettist nicht: Ein großes Bierglas, das mit Tee gefüllt ist und genau bis zur Pause reicht, und ein Spickzettel, in den er selten hinein lugt, genügen ihm vollauf. Mit seiner Redegewandtheit und seiner völlig natürlichen Art fesselt er das Publikum in jedem Fall. Dennoch wird es richtig spannend, wenn er auf abseitigere Themen verfällt, etwa die Aktion von Nivea um die Aufhellungscreme "Natural Fairness". Wenn ein Hellhäutiger in die Sonne gehe, werde sein Haut dunkler. Wenn Dunkelhäutige heller werden möchten, genüge es nicht, sich in den Schatten zu stellen, erklärt Asül. Dass Nivea ein Hilfsmittel anbietet, um diese "Benachteiligung" zu beheben, gerät zum satirischen Kabinettstück. "Die Nivea-Werbung macht dir klar: Wennst so dunkel bleibst, wird's weder was mit dem Business noch mit die Männer..."

Der weitaus größte Teil des Programms ist politischen Themen vorbehalten; da fordert Asül mehr von seinem Publikum als manch anderer. Ein bisschen Fußball darf aber auch dabei sein und hier und da wird ein wenig Gesellschaftskritik eingestreut. Und Heidi Klum und Boris Becker sind immer für eine Boshaftigkeit gut. Auf billigen Witz setzt Asül dabei nie, geht aber schon an die Schmerzgrenze mit Bemerkungen wie der, von der Leyen fühle sich ja schon als Pin-up-Girl - seit ihr zu Ohren kam, was über sie gemunkelt werde: "Die Frau g'hört aufg'hängt!" Dass Seehofer und Söder eins auf die Mütze kriegen und ihnen ein "Scheinheiligen-Schein" attestiert wird, war zu erwarten. Ganz böse abgewatscht wird der kurzzeitige Heilsbringer der SPD, Martin Schulz.

Zu guter Letzt zitiert Asül noch Lothar Matthäus mit "Hätte, hätte - Fahrradständer" und schießt bei der Zugabe selbst noch ein Eigentor. Als er darüber sinniert, dass heute kaum mehr Autogramme, sondern nur noch Selfies von den Fans verlangt würden, und dann oft die Frau von ihrem Mann aufgefordert würde, doch mal "ein Selfie vom Asül und mir" zu machen, begeht er den Fehler, daran Bemerkungen über das heikle Thema "Frau und Technik" zu knüpfen. Unmut im Saal! Schade, denn eigentlich ist Django Asül ein richtig guter Kabarettist.

© SZ vom 02.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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