Kabarettabend in Lenggries:Gruppenkuscheln ohne Gnade

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Kabarettistin Constanze Lindner schmust ihr Publikum im KKK Lenggries nieder. Weil sie gute Texte und Beobachtungsgabe hat, werden ihre Auftritte als Russin, Fee oder Maklerin nie zum Klamauk

Von Sabine Näher, Lenggries

Bei einem Auftritt habe sie unlängst doch tatsächlich ihr Publikum umarmt, gesteht Constanze Lindner in der übervollen Kaminstube des Arabella Brauneck-Hotels. "Aber das gehört sich doch nicht! Ich habe hart an mir gearbeitet." Sogar die Unterstützung eines Therapeuten habe sie gesucht. "Und wisst ihr was? Es hat überhaupt nichts geholfen!" Damit stürzt sie übers ganze Gesicht strahlend hinunter ins Publikum, umarmt und busselt alles hemmungslos ab, was ihr unterkommt.

Diese Form der Kontaktaufnahme mit den Besuchern findet sich zum Glück nicht im Repertoire ihrer Kabarettkollegen. Denn nicht allen möchte man unbedingt so nahe kommen wie der quirligen, pure Lebensfreude ausstrahlenden Münchnerin. Während die Live-Begegnung mit mancher TV-Größe schon etwas Ernüchterndes hat, ist man bei Lindner positiv überrascht: Sie hat eine ganz starke Bühnenausstrahlung, ein gutes Gespür fürs Timing, trifft in der Kommunikation mit dem Publikum den richtigen Ton zwischen Frechheit und Respekt. Und nicht zuletzt: Ihre Texte haben Qualität. Als Co-Autoren hat sie Michael Altinger und Alexander Liegl mit im Boot. Abstürze wie mit Fernsehprominenz, die ihre Texte üblicherweise von Drehbuchautoren bekommt und frei von jeder Selbstkritik dennoch einfach mal selber loslegen zu können glaubt, drohen bei Constanze Lindner nicht. Der Abend mit ihr wird zum schieren Vergnügen.

Blitzschnell schlüpft sie in eine ihrer bekannten Rollen. So erzählt sie als Russin Viktoria mit der schwarzen Pelzmütze, die sich später als das Fell ihrer mit einem Tiger fremdgegangenen Katze entpuppt, mit herrlichem Akzent von ihren drei Dutzend Ehemännern ("Eine Ehä kann so schnell vorbei sein - und dann kommt nächste Hochzeit: Kalinka, kalinka, kalinka moja!"). Warum deutsche Frauen bloß immer einen Traummann suchten, sei ihr schleierhaft. "Wenn eine Frau träumt von Mann, hat sie gegessen falschen Käse!" Ein Mann sei erst dann ein Traummann, wenn er im Traumland sei: "Dann du kannst dir kaufen Traumkleid für Traumbeerdigung." Die Herren im Publikum nehmen solcherlei mit Humor, werden sie doch zwischendrin immer wieder mal in nette Gespräche verwickelt ("Wie heißt du? Was machst du beruflich? Isat das Deine Frau???") oder erneut abgebusselt.

Den stärksten Kontrast zur männermordenden Russin stellt die total verklemmte Cordula Brödke mit ihrer Wollmütze und dem brutalen Überbiss dar, die verzweifelt nach einem Mann sucht und hier beim "Gruppenkuscheln in Lenggries" darum bittet, doch gleich mit den Körperübungen anzufangen. Dann will sie den Zaubertrick mit der zersägten Jungfrau vorführen und zieht mangels einer solchen einen netten Herrn aus dem Publikum auf die Bühne. Der muss vor einem Stuhl knien. "Weißt du deine Blutgruppe? Mach' dir nur keine Sorgen - die mach' ich mir schon selber ... " Nur weil das Opfer tatsächlich vergessen hat, die Säge mitzubringen, darf es unzersägt zum Platz zurückkehren. Von guter Beobachtungsgabe zeugt Lindners widerwärtig arrogante Maklerin, die 60 Quadratmeter auch für 2600 Euro vermietet, wenn's der Markt hergibt.

Zum Brüller wird der Auftritt der Wunschfee, die seit geraumer Zeit bei Lindner Quartier genommen hat, weil die sich einfach nicht für den dritten noch offenen Wunsch entscheiden kann. Aufgemacht wie Cindy aus Marzahn mit Wampe und rosa Tüllröckchen entpuppt sie sich als echt bayrische Fee: "Grüß Gott, i bin d'Gschwendner Marion!" Herrlich auch der Auftritt als ganz alte Frau mit grauer Löckchenperücke, unsicher tapsendem Gang, doch hellwachem Geist: "Bin ich mit dem Treppenlift stecken geblieben. Hat mich die Feuerwehr gerettet: Lauter nette, attraktive junge Herrn (...) Jetzt bleib ich mal im Thermomix stecken: Mal sehen, wie sie mich da rauskriegen!"

Lindner ist eine gute Kabarettistin, vor allem aber eine großartige Komödiantin, die es schafft, alles aus ihren Figuren herauszuholen. Wenn die Maklerin zum Tiger in den nicht funktionierenden Aufzug steigt und, von allen tot geglaubt, unverletzt herauskommt ("Das haben wir geregelt. Von Raubkatze zu Raubkatze. Jetzt färb' ich den Tiger weiß und geh' mit ihm nach Vegas!"): Bei Constanze Lindner wird die Komödie nie zum Klamauk. Riesenjubel im Kaminstüberl!

© SZ vom 13.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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