Kabarett im Kurhaus:Tiefenentspannt mit der BOB

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Von Müsli to go bis Mord ist bei der Kabarettistin Christine Eixenberger alles zu gewärtigen

Von Christa Gebhardt, Bad Tölz

Eigentlich schade, dass Christine Eixenberger dem Klassenzimmer entflohen und auf der Kabarettbühne gelandet ist, und zwar mit Kawumms, laut, schlagfertig und sehr lustig. Denn die studierte Grundschullehrerin hätte ihre Schule samt rüpelhaft Pubertierenden, politisch korrekten Kollegen und Helikoptereltern ziemlich aufgemischt. Linientreu ist sie bestimmt nicht "die Schwester vom Eixe aus Schliersee", wie die Fußballkumpane ihres Bruders sie angeblich nennen. Und dann nimmt sie am Samstag das Publikum im Tölzer Kurhaus mit auf die Reise, die in einem Straßengraben nach einem Zusammenstoß mit einer Wildsau beginnt und im Wellnessbereich mit Antifaltenprogramm endet, allerdings mit etlichen Ausreißern in den ganz normalen Wahnsinn.

Eixenbergers Bairisch ist so echt wie sie selbst und für Hochdeutsch sprechende Zuhörer manchmal vertrackt, aber mit ihrem Sprach- und Sprechtalent macht sie sich im Klartext verständlich, gerne auch mal in anderen Dialekten, nicht nur ihr Wienerisch ist perfekt. Singen kann sie auch, ihre volle warme Stimme trägt ohne aufwendige Tontechnik, ihre Songs komponiert und textet sie selbst.

Der Titel ihres neuen Soloprogramms lautet "Fingerspitzenlösung", und das kann eigentlich nur ironisch gemeint sein, denn vorsichtig geht sie die Probleme des Lebens nicht gerade an. Mit dem Gefühl "warum ich?" stemmt sie sich trotzig gegen Zumutungen, etwa gegen den Herrn Wachtmeister, der sie einem Alkoholtest unterziehen will, weil sie etliche Piccolos intus hat. Eixenbergers Gegenvorschlag: Zusammen mit ihm Papiergirlanden aus seinen Formularen basteln? Auch mit Bestechungsversuchen im Lehrerzimmer weiß sie umzugehen. Die Metzgersfrau, die mit zwei prall gefüllten Taschen voller frisch geschlachteter Fleischwaren vor ihrem Pult steht, um ihren Benni vor der drohenden Fünf zu retten, muss unverrichteter Dinge wieder abziehen.

Selbst die wiederholten und eingestandenen Mordversuche an ihrem kleinen Bruder, der ihr 50 Prozent der mütterlichen Liebe gestohlen hat, wecken die Heiterkeit des Publikums. Es sind durchaus ungewöhnliche Methoden dabei, wie der Versuch, den Bruder in eine streunende Katze zu verwandeln, welche die Mama dann sicher im Tierheim abgeben oder am Straßenrand aussetzen würde.

Beeindruckend ist die Körpersprache der Kabarettistin. Mit sparsamer, aber drastischer Gestik stellt sie blitzschnell wechselnde Rollen dar, mimt mal ein handysüchtiges dickes Kind, das hoffnungslos dem Bing seines Smartphones ausgeliefert ist, mal einen uralten Schaffner bei der krisengeschüttelten Oberlandbahn BOB oder eine tiefenentspannte Wellness-Tusse.

Es ist eine ihrer lustigsten Nummern, wie sie in einem übertrieben langsamem Schreiten mit abgespreizten Beinen die Gehmeditation übt, Social Freezing im Ruheraum aushält oder den Abscheu gegen Slow Food, moralisch vertretbare Salatmischungen und Müsli to go überwindet. Die stressmindernde Verlangsamung - deutlicher: die Langeweile, bis zum technischen Stillstand, kenne man aber in Bayern schon lange, konstatiert die Eixenberger - man denke nur an das regelmäßige stundenlange Stranden der BOB in the middle of nowhere zwischen Schliersee und München.

Tiefsinnig ist die Eixenberger nicht, aber heimtückisch hinterfotzig kann sie werden, etwa wenn sie erklärt, dass in Bayern mit seinen hohen Bergen, blauen Seen und märchenhaften Schlössern so manches beschönigt wird. In einer Analogie wählt sie den Leberkas, in dem weder Leber noch Kas enthalten seien, und die Christlich-Soziale Union ...

Die Tradition in Bayern, so Christine Eixenberger in der vom Publikum herbeigeklatschten Zugabe, zeige sich bei zeitfüllenden fleischlastigen Sonntagsessen bei Eltern und Schwiegereltern. Beim Kinderkriegen allerdings ändere sich dann aber doch was für junge Frauen und Männer: Die Enkel müssten die Großeltern künftig selber machen. Nach zweieinhalb temporeichen Stunden ist Schluss, das Publikum im Tölzer Kurhaus fühlt sich bestens unterhalten.

© SZ vom 18.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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