Kabarett im Kurhaus:Irritierend

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Provokant oder populistisch? Helmut Schleich in Bad Tölz. (Foto: Manfred Neubauer)

"Kauf, du Sau": Helmut Schleich lässt mit seinem neuen Programm Fragen offen

Von Christa Gebhardt, Bad Tölz

Neu will er sein und ganz bei sich, ohne sein bekanntes Figurenkabinett. Helmut Schleich leuchtet in seinem aktuellen Programm "Kauf, du Sau!" politisierend den Zeitgeist aus. Sein Fanpublikum sitzt mit dem Wissen im ausverkauften Tölzer Kurhaus, dass er die Parodie aus dem Effeff beherrscht. Allerdings muss es bis zum Finale des neuen Programms darauf warten. Die Paraderolle des einstigen CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß, der den Selbstdarsteller Markus Söder in Grund und Boden stampft, begeistert immer noch ebenso wie der witzige, wenn auch altbekannte Intimdialog der bayerischen Brüder Beppi und Schorschi (Papst Benedikt a. D. und Bruder Georg) mit der bekannten Pointe: "Gut, dass uns niemand zuhört!"

Wer aber spricht zuvor in Schleichs neuem Programm? Bekannt kommt dem Zuschauer die vorgeführte "Konsum-Sau" vor, alias der entmündigte Bürger, der nur noch dann ein guter Mensch im globalisierten Konsumhimmel der Großkonzerne ist, wenn er eingelullt mit PR-Lügen und fadenscheinigen Glücksversprechen drei untaugliche Manipulationsdiesel in seiner Garage stehen hat und zugemüllt mit überflüssigen Gebrauchsartikeln zum Sonderpreis den Blick auf die wahren Werte verloren hat. Absurde Managergehälter in der lobbygeschützten Autoindustrie, Nahrungsunverträglichkeiten als neues Wertesystem einer jungen Elite (Essen als Religionsersatz), schießwütige Amis, abgehalfterte Europa-Politiker im Fegefeuer der Eitelkeiten, deren Altersstarrsinn jetzt mit dem schicken Welpenwahnsinn eines feschen Alpenkanzlers konkurriert - das alles ist witzig, sprachkompetent, atemberaubend dicht.

Aber dann fragt man sich zunehmend, ob man sich gerade vielleicht verhört hat: Ist der Brexit die selig machende Rückkehr zur bäuerlichen Kultur des wahren Engländers? Ist es satirisch gemeint, den Einzelfall eines syrischen polygamen Mannes, der seine vier Ehefrauen zum Kindergeldmissbrauch benutzt, zum Paradefall ausländischer Asylsuchender zu erklären? Sind Genderdiskussion und "Me Too"-Bewegung tatsächlich nur den verblödeten Hirnen einer jungen Generation geschuldet, deren lebensfremde, aber politisch korrekt erzogene Kinder Mama und Papa mit Muttsie und Vatsie ansprechen müssen?

Wer ist der Mann auf der Bühne? Ein Kabarettist mit kritischer satirischer Intention in Polt'scher Manier, der dumpfbackig Populistisches von sich gibt, dahinter aber erkennbar bleibt? Oder sieht so der neue Helmut Schleich aus? Manche Dinge legt er zum Teil noch Rudi, einem niederbayerischen Lkw-Fahrer und bekennenden Alkoholiker, in den Mund, dem letzten Überbleibsel seines ehemaligen Figurenensembles: Etwa wie "Mann" sich alternder Frauen mit Hilfe des Schleiers entledigt, statt sie mit teuren Schönheitsoperationen frisch zu halten. Oder Betrachtungen darüber, wie ein "gemäßigter Salafist" die Segnungen des Sozial- und Rechtsstaats genießen kann. Oder wie man sich als Muslim mit judenfeindlicher Einstellung in der antisemitischen Tradition Deutschlands dahoam fühlen kann.

Die Medienschelte in Deutschland betreibt der Kabarettist dann aber schon persönlich: Von der Kanzel liest er die "Heiligen Evangelien", aus dem Zusammenhang gelöste Zitate aus Texten namentlich genannter Pressevertreter, darunter investigative, liberale und kritische Journalisten und moralische Kommentatoren. Deren Meinung muss man nicht teilen. Schleich jedoch unterstellt ihnen manipulative Meinungsmache.

Das ehemals heilige bayerische Mia-san-mia-Gemütlichkeitsmodell mit Heimat, Emotionen und Geschichten jedenfalls hat ausgedient in der schönen neuen Warenwelt mit Digitalisierung, 3-D-Druckern oder künstlicher Intelligenz, das versichert Schleich dann wieder sehr glaubhaft seinem begeisterten Publikum, weil Patronen aus Bavaria, Pflegecomputer und bornierte CSUler halt auch keine Lösung sind. Da scheint er wieder authentisch der Helmut Schleich zu sein, dem der Kauf- und Internetrausch der kalten Technikwelt gegen den Strich geht, der wortgewaltige Kabarett-Profi, der dem Volk aufs Maul schaut und nur das sagt, was man halt einmal sagen muss.

Nur: Wann ist er jetzt der kritische Ironiker, der Strauß, der Rudi, der Beppi oder der neue populistische Entertainer, der Lacher am rechten Rand fischt? Eine Antwort auf diese Frage bleibt er seinem Publikum schuldig.

© SZ vom 04.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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