Kabarett im Kurhaus:Die Freiheit am Bandl

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Josef Brustmann schnürt in seinem "Fuchs-Treff" durchs Leben, ist auf skurrile Weise poetisch und anschaulich philosophisch

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Wenn man vom Weltall auf die Erde schaut, sieht man die riesige Chinesische Mauer. "Und das riesige Kurhaus in Bad Tölz", sagt Josef Brustmann in eben jenem herausragenden Bauwerk, das am Freitag fast ausverkauft ist. In anderer Hinsicht ist die Stadt weniger exponiert: Denn die Tölzer müssen zum Kinderkriegen künftig nach Wolfratshausen. "Und man kann nur hoffen, dass die ihnen das Kindermachen nicht auch noch abnehmen."

"Fuchs-Treff" hat der Wolfratshauser Musikkabarettist sein viertes Soloprogramm genannt. Wie der Fuchs, der schnurgerade durch Wald und Felder läuft, schnürt auch Brustmann in seinen Geschichten und Liedern durchs Leben, legt schlaue Wortfinten und scheut sich nicht vor Angriffen; vor allem die CSU und die katholische Kirche fallen in sein Beuteschema. Vom unendlichen Weltall zoomt er auf seine kleine Welt und ihre Bewohner - und darin liegt seine Stärke: Wenn er, vor allem im ersten Teil des Programms, über den Totengräber Toni und den Vogelstimmenimitator Franz erzählt. Oder von seiner zweiten großen Liebe, der Kathi mit dem Goldfisch "Hemingway", der in seinem Glas immer nur im Kreis geschwommen sei. Und immer noch im Kreis schwamm, als man ihn in die Isar entließ. "Aber die Freiheit war ihm zu groß", singt Brustmann. Nach zehn Jahren als Musiklehrer an einem Münchner Gymnasium ist er ausgestiegen und seitdem Kabarettist im Hauptberuf. Der 62-Jährige hat die MonacoBagage und den Bairisch Diatonischen Jodelwahnsinn mitbegründet. Im Jahr 2015 wurde er mit dem Deutschen Kabarettpreis ausgezeichnet.

Aufgewachsen ist Brustmann als achtes von neun Kindern in Waldram. Wenn er von seiner Kindheit und Jugend erzählt, dann ist das vermutlich ein bisschen verklärt - eine liebevolle und komische Liebeserklärung an seine Heimat, "Irgendwie und Sowieso" auf der Bühne. Die Winter im Austragshäusl, wo man mit Raureif auf den Wimpern aufgewacht sei. Die Sommer an den Isarauen, "einem Kinderreservat vollkommenster Schönheit" - schwimmen, schwarz fischen, Judenstrick rauchen. "Die Jugend kommt leider zu früh", sagt Brustmann. Denn das Glück, das begreife man immer erst im Nachhinein. Die erste Jeans in den Sechzigerjahren, als aus dem Josef der Joe geworden war, das erste AC/DC-Konzert, bei dem die Karten so teuer waren, dass das Geld nicht mehr für ein Band-T-Shirt reichte. "Aber ich hab' daheim noch ein altes vom ADAC gehabt, des hat niemand gemerkt." Eine musikalische Hommage folgt auf dem Fuß: "Highway to Hell", bei der die verstärkte Zither kreischt wie eine echte E-Gitarre.

Auch Akkordeon, Gitarre und Horn hat der Multiinstrumentalist am Freitag mitgebracht, die musikalische Bandbreite reicht von Jodler und Gstanzl über das traurige Antikriegslied "Vater, komm erzähl vom Krieg", nach einem Gedicht von Ernst Jandl, bis zu "Across the Universe" von den Beatles - in einer Zither-Version und samt Glitzerkugel.

Man könnte Brustmann ewig zuhören, auch weil seine Geschichten beizeiten mit poetischer Skurrilität bestechen. Zum Beispiel die vom Kamel und seinem Reiter, die sich in der Wüste plötzlich mit einer roten Ampel konfrontiert sehen. Was tun? Auf Grün warten, oder einfach losreiten? Eine konflikthafte Situation, die beiden in der doch noch glücklich erreichten Karawanserei den Schlaf raubt. "Das Kamel war völlig traumatisiert von den Ampeln und hat sich die ganze Nacht auf dem Rücken gewälzt. Und mach des mal, mit zwei Höckern", sagt Brustmann.

Nach der Pause lässt er auf der Bühne einen kleinen Drachen steigen. Lange und vermutlich zum Spaß. Aber nicht zum Selbstzweck. Denn Brustmann gibt dem Bild eine Bedeutung: Ohne Schnur würde der Drache sofort abstürzen. "Freiheit ohne Anbindung kannst du vergessen", erklärt er.

Zu guter Letzt kommt auch noch der Musiklehrer durch: Die Uli aus Gaißach muss auf der Bühne kleine Glocken bedienen, das Publikum die Melodie des Münchner Glockenspiels singen. Sie machen gut gelaunt mit und lassen sich auch von einer klaren Ansage nicht abbringen: "Ich möcht' keinen falsch singen hören", sagt Brustmann streng. "I hab' schon Leute einzeln vorsingen lassen."

© SZ vom 27.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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