Jugendprojekt:Ein zweites Leben für die Europalette

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Psychisch und körperlich eingeschränkte Kinder und Jugendliche verarbeiten in einem Kooperationsprojekt ausgediente Holztragflächen zu kreativen Möbelstücken. Nun hoffen die Teilnehmer auf einen "Preis für Inklusion".

Von Thomas Kubina, Bad Tölz

Erst als der Kleintransporter die Garageneinfahrt der Isarwinkler Werkstätten verlässt, kommt - trotz der dichten Regenwolken - Licht in den dunklen Lagerraum: Dort stehen neben diversen Werkzeugen und Baumaterialien rund 18 aneinandergereihte Sessel und zwei Tische. Einige der Sessel haben Sitzpolster, andere eine integrierte Fußablage. Doch was allen gemein ist: Eine schwarze Aufschrift namens "EPAL" an den Sitzkanten, die Kurzform für "Europalette". Ein Verweis darauf, dass die Möbel ein Vorleben hatten, nämlich als jene hölzernen Konstruktionen, die in Lagerhallen, in Lastkraftfahrzeugen oder in Supermärkten als Tragflächen für Waren dienen. Einzelne ausgemusterte Exemplare fanden nun jedoch in den Isarwinkler Werkstätten als Baumaterial eine kreative Neuausrichtung.

Mit dem Projekt "Mein Leben. Meine Palette" starteten die "Jugendreha" und die "Therapeutische Jugendwohngruppe" der ReAl Isarwinkel zusammen mit dem Sonderpädagogischen Förderzentrum Bad Tölz sowie der Tölzer Jugendförderung ein inklusives Kooperationsprojekt mit teilweise psychisch und körperlich eingeschränkten Kindern und Jugendlichen. Dabei verarbeiteten sie rund 50 Europaletten zu Möbelstücken. Marcel Jabusch, Abteilungsleiter der Isarwinkler Werkstätten, bereitete mit seinen Mitarbeitern die hölzernen Rohobjekte vor und gab ihnen eine Erstform. "Es ging darum, zusammen mit den Jugendlichen in der kurzen Zeit etwas handwerklich zu machen", sagte er. An zwei Tagen hatten die Jugendlichen in den Werkstätten dann für jeweils 2,5 Stunden die Möglichkeit, an den Paletten zu hämmern und zu bohren. Doch schon zuvor hatten sie sich getroffen, etwa um den Umfang der Arbeiten festzulegen.

Nachdem die Holzmöbel fertiggestellt waren, finden sie nun Platz in den Einrichtungen, die sich am Projekt beteiligt haben. Kilian Spindler, Lehrer am Sonderpädagogischen Förderzentrum, freut sich auf einen neuen Sitzbereich für seine Schule, genauso wie die Sozialpädagogin Veronika Dräxl von der Tölzer Jugendförderung. Dort finden die Möbel im Jugendcafé einen neuen Platz.

Hinter der Idee zu diesem Projekt verbirgt sich die Ausschreibung der Luise-Kieselbach-Stiftung und deren "Preis für Inklusion", für den sich die Projektteilnehmer nun beworben haben. Die Verleihung ist für den Herbst angesetzt. Die Fertigstellung der Sessel und Tische ist folglich nicht das einzige Ziel. Es gehe vielmehr darum, die Kinder und Jugendlichen mit einzubinden in einem schöpferischen und praktischen Prozess. Damit würde der kreative Ausdruck, die Eigenverantwortung und die Beschäftigungsmöglichkeiten in Hinblick auf die spätere Berufswahl gefördert werden, wie es in einer entsprechenden Pressemeldung der ReAl Isarwinkel heißt.

Die selbst geschaffenen Möbel wurden inzwischen an ihre neuen Bestimmungsorte transportiert. Was bleibt, ist keine leere Garage, sondern die zahlreichen Eindrücke der Jugendlichen, die in diesem Gemeinschaftsprojekt zusammenfanden. Auch wenn die Arbeit Spaß gemacht habe, so kann sich Martin Eckl, Schüler des Sonderpädagogischen Förderzentrums, zwar beim besten Willen nicht ganz mit dem Berufsziel als Handwerker identifizieren. Aber: Es sei schön zu sehen, wie die Jugendlichen aus den verschiedenen Einrichtungen miteinander in Kontakt gekommen seien, sagt Spindler. So war etwa die Achtklässlerin Leonie Wetzl begeistert: "Es war aufregend mit vielen anderen Jugendlichen zusammenzuarbeiten und in einem Team etwas zu erstellen."

Weil dieses Gemeinschaftsprojekt so erfolgreich und die Zustimmung der Jugendlichen hoch war, hat Jabusch bereits ein nächstes Projekt anvisiert: Es soll eine "Ramadama-Aktion" stattfinden, in der die Jugendlichen gemeinsam die Landschaft säubern und so die Natur besser kennenlernen können.

© SZ vom 23.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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