Jugendbewegung:Schwieriger Klimadialog

Lesezeit: 3 min

Will sich der Kritik von jungen Klimaschützern stellen: der Tölzer Stadtwerke-Chef Walter Huber beim Energiegespräch mit Schülern. (Foto: Manfred Neubauer)

Bad Tölz ist im Landkreis der Hauptschauplatz für die Fridays-for-Future-Demos. Die dortigen Stadtwerke haben deshalb nun versucht, mit jungen Klimaschützern ins Gespräch zu kommen - allerdings ohne den erhofften Erfolg

Von Nora Schumann, Bad Tölz

"Das Weltklima retten wir nicht", erklärt Walter Huber, Geschäftsführer der Stadtwerke Bad Tölz, "aber wir sind die Energiespezialisten in Tölz." Und das Thema Energie sei eng mit dem Klimaschutz verbunden. "Die Fridays-for-Future-Demonstrationen kommen ja direkt bei uns vorbei", ergänzt Betriebsleiter Michael Betzl.

Die Stadtwerke haben im Zuge der Klima-Demos Schüler eingeladen, sich ein Bild des Tölzer Klimaschutzes zu machen. "Gerne stehen wir Rede und Antwort und möchten auch kritischen Fragen und Anregungen begegnen", hieß es in einer Einladung des Unternehmens an alle weiterführenden Schulen in Tölz. Vier Klassen haben ihr Kommen zugesagt.

Mit etwas Verspätung trifft die zehnte Klasse der Berufsschule Tölz im Innenhof der Stadtwerke ein. Die Schüler unterhalten sich und scherzen miteinander in kleinen Grüppchen, in die Werkhalle mit vorbereiteter Präsentation will noch niemand so richtig hinein. Lehrerin Rose Mittermayer gibt Sozialkunde. Klimaschutz sei in ihrem Unterricht bislang nicht thematisiert worden, sagt sie. Aber genau aus diesem Grund sei sie der Einladung der Stadtwerke gefolgt. Das Thema Klima sei im Lehrplan nicht vorgesehen, vielmehr gehe es bei Sozialkunde an der Berufsschule um Themen wie Sozialversicherung und Arbeitszeitmodelle. Einige Schülerinnen der Berufsschule geben auf Nachfrage an, sich noch nicht mit dem Thema Klimawandel befasst zu haben.

In diesem Moment treffen die achte und neunte Klasse des Tölzer Gabriel-von-Seidl-Gymnasiums ein. Auch einige Eltern haben sich im Innenhof der Stadtwerke eingefunden. "Ich bin Teil von Parents for Future", erklärt eine junge Frau mit Baby auf dem Arm. Walter Huber nutzt die Gelegenheit, um alle in die Halle zu bitten und mit seiner Präsentation zu beginnen.

Der Stadtwerke-Chef erklärt das Wirken seines Unternehmens und sein Ziel, die Energieversorgung in Bad Tölz so nachhaltig wie möglich zu gestalten. 54 Prozent des von Kunden verbrauchten Stroms würden bereits regional erzeugt, sagt Huber. 46 Prozent würden zugekauft. Die Emissionen durch Erdgasgewinnung kompensierten die Stadtwerke durch den Kauf von CO₂-Zertifikaten. "Tölz hat sich aus einem Wasserkraftwerk gegründet", ruft Huber in die hohe Werkshalle. Die Stadt sei eine autarke Insel gewesen, was betriebswirtschaftlich nicht sehr sinnvoll gewesen sei, volkswirtschaftlich schon. Eine autarke Energieversorgung sei heutzutage durchaus wieder erstrebenswert.

Das Interesse der Schülerinnen und Schüler an Hubers Ausführungen ist mäßig, ein erstes Gemurmel erhebt sich in der akustisch herausfordernden Halle. Walter Huber fordert die Besucher nach Abschluss seines Vortrags auf, Fragen zu stellen. "Macht mehr, als nur demonstrieren, redet mit den Leuten, euren Eltern, das ist eure Welt", appelliert er an die Gruppe. Die Schüler schweigen unangenehm berührt, schließlich überwindet sich eine Berufsschülerin. Wie alt Fotovoltaikanlagen werden können, möchte sie wissen. Huber will sich nicht festlegen, schätzt die Lebensdauer je nach den Umständen auf 20 bis 30 Jahre. Er versucht weiter, die Schüler zur Interaktion zu animieren: "Habt ihr wirklich kein Interesse an einer Energiezukunft? Sind es mehr die Eltern, die sich sorgen?", ruft er fragend in die Runde. Schließlich meldet sich doch noch ein Schüler: "Diese CO₂-Zertifikate bedeuten also nicht, dass irgendwo CO₂ aus der Luft geholt wird, sondern ich produziere weniger als zuvor und bekomme dafür ein Zertifikat, das ich dann verkaufen kann?", fragt er. "Ja", sagt Michael Betzl und versucht sich an einer Erklärung. Bei bestimmten Prozessen wie der Erdgasgewinnung werde unweigerlich Kohlendioxid freigesetzt. Die Zertifikate seien Ausgleichsmaßnahmen dafür. Die Speicherung des Gases im Boden oder ein Aufforsten könnten dabei auch Maßnahmen sein, um CO₂ tatsächlich zu binden. Die restlichen Nachfragen kommen fast ausschließlich von Lehrern oder Eltern.

Das System der CO₂-Zertifikate irritiert die Stadtwerke-Besucher trotz Betzls Erklärung. "So, wie ich das verstehe, kann ein Kohlekraftwerksbetreiber sein Kraftwerk stilllegen und dafür sehr viele Zertifikate verkaufen?", fragt ein Vater. Das sei richtig, die Kohlekraftwerke hätten von der Bundesregierung sogar Zertifikate geschenkt bekommen, antwortet Huber. Er verweist auf eine weitere Herausforderung, um 100 Prozent Ökostrom anbieten zu können. In Deutschland könne man nur grauen, keinen rein grünen Strom kaufen. Um somit, wie die Stadtwerke selbst, reinen Ökostrom verkaufen zu können, sei der Ankauf von Zertifikaten notwendig.

Das Gemurmel in der Halle ist zu diesem Zeitpunkt so laut, dass nur noch die erste Reihe seine Antwort vernimmt. "Habt ihr Interesse an einer zweiten Veranstaltung oder dass wir in kleinem Kreis an die Schule kommen?", ruft Michael Betzl den Kindern zu, er wird aber nicht mehr gehört. Immerhin, die Schüler nehmen die vorbereiteten Turnbeutel mit Fragebögen bereitwillig an. Darauf können sie angeben, welche Verbesserungen sie sich klimatechnisch von den Stadtwerken wünschen, oder Kritik anbringen. "Wenn einer von euch schreibt, mehr Windräder in Tölz, kann ich damit zum Bürgermeister", sagt Huber schmunzelnd. Genehmigungen zu bekommen sei nämlich auch keine ganz einfache Sache.

© SZ vom 07.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: