Jugend musiziert:In höchsten Sphären

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Zwischen Icking und der Jachenau reifen besondere musikalische Talente. Gleich vier Jugendliche haben es in diesem Jahr von der Regional- und Landesebene bis zum Bundeswettbewerb Jugend musiziert geschafft. Sie verraten, wie ihnen das gelang und wie sie abgeschnitten haben

Von Paul Schäufele

Wenn das mal nicht gut klingt: Vier Jugendliche aus dem Landkreis haben sich nicht nur für den Bundeswettbewerb Jugend musiziert qualifiziert, der kürzlich in Bremen und Bremerhaven als Video-Wettbewerb ausgetragen worden ist. Alle vier schafften es dort auch aufs Treppchen. Liegt das am jeweiligen Ausnahmetalent, an vielen Übungsstunden oder gibt es hinter den Erfolgen ein anderes Geheimnis? Die jungen Musikertalente erzählen:

Emil Zoelch

(Foto: Manfred Neubauer)

Schon sehr traurig, wenn ein Hund stirbt. Entsprechend melancholisch-verträumt tönt Leonard Bernsteins "Elegy for Mippy", die der Komponist einst dem Hund seines Bruders gewidmet hat. Dafür hat er ein Instrument gewählt, das nicht immer als klassisches Soloinstrument wahrgenommen wird: die Posaune. Auf der Gitarre hat der 13-jährige Emil Zoelch bereits Preise eingefahren, nun belegte er an dieser Komposition seine Doppelbegabung mit dem Blasinstrument. Dass der Wettbewerb heuer nur per Video-Aufnahmen stattfinden konnte, sieht Zoelch gelassen. "Das fand ich nicht schlimm. Die Aufnahmen haben wir mit ganz professioneller Ausrüstung machen können und man ist dabei auch nicht so aufgeregt. Aber ich freue mich auch darauf, bald wieder vor Publikum spielen zu können." Gelegenheiten dazu hat der Tölzer genug, etwa in der Bigband des Gabriel-von-Seidl-Gymnasiums, die sein Vater, Klarinetten- und Saxophon-Lehrer Peter Zoelch, leitet, oder in der Jugendkapelle. Mindestens so wichtig wie der Wettbewerb selbst, an dem er nun zum dritten Mal teilgenommen hat, sei für ihn aber die Vorbereitung gewesen. Das intensive Üben habe ihn weitergebracht, auch, weil es sich um ein so vielschichtiges Programm handelte. Neben der Hunde-Hommage präsentierte Zoelch sein Können mit dem stattlichen Posaunenkonzert des Wiener Frühklassikers Georg Christoph Wagenseil und einer Tango-Komposition. Nicht zu vergessen sei aber auch der vergnügliche Aspekt: "Mir haben auch die Proben viel Spaß gemacht." Daran dürfte auch Emil Zoelchs Klavier-Begleiter David Keilmann nicht unschuldig gewesen sein, mit dem er beim Bundeswettbewerb einen tollen Erfolg verzeichnen konnte. Hier schnitt er mit einem dritten Preis ab.

Selma Mitreuter

(Foto: Hartmut Pöstges)

Man ist fast überrascht, beim Telefonat ins Haus Mitreuter keine Streicherklänge als Hintergrundmusik zu hören. Alle fünf Kinder musizieren auf hohem und höchstem Niveau, studieren auch teilweise schon an der Musikhochschule. Einen besonderen Erfolg durfte die jüngste des Quintetts, Selma Mitreuter, dieses Jahr feiern, als sie den Landeswettbewerb mit einem erstem Preis abgeschlossen hat. Souverän hat sie sich die Gunst der Jury am Cello erspielt mit einem anspruchsvollen Programm der Wertung "Duo: Klavier und ein Streichinstrument". Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn die wettbewerbserprobte Musikerin hat auch schon als Pianistin teilgenommen. Den ebenfalls anspruchsvollen Klavierpart meisterte Anton Bruder. Die Jungmusizierenden spielten Werke von Johann Sebastian Bach, Felix Mendelssohn Bartholdy und das temperamentvolle Impromptu des armenischen Komponisten Alexander Arutjunjan, ein echtes Virtuosenstück, das die Koordinationsfähigkeit der beiden Spieler herausfordert. Danach gefragt, was ihr besonders viel Freude am Musizieren bereite, antwortet die beinahe 14-Jährige ohne lange zu überlegen: das Ensemblespiel. Was angesichts des musizierenden Familienumfelds nicht überrascht - ein Musizierpartner wartet quasi immer im Nebenzimmer. Und im Kinderchor erprobt sie auch die Stimme. Selma Mitreuter hat zwar noch viel Zeit, sich zu entscheiden, wie ihre Zukunft mit der Musik aussehen soll, aber der Präzedenzfall der Schwester legt solche Gedanken nahe: "Ich überlege mir auch, ob ich Musik studieren soll", sagt sie. Doch die Interessen sind breit gefächert, sie reitet, macht Sport und schreibt nebenbei Prosa, für die sie bei einem Schülerliteraturwettbewerb ebenfalls ausgezeichnet wurde. Für ihren Video-Beitrag beim Bundeswettbewerb erhielt sie mit ihrem Begleiter einen hervorragenden dritten Preis.

Simon Kobras

(Foto: privat/oh)

"Sie weint so eintönig wie weinendes Wasser und wie der weinende Wind über dem Schnee." Die Gitarren, die der spanische Lyriker Federico García Lorca in seinen Gedichten besungen hat, sind keine Euphoriker. Das Instrument, mit dem Simon Kobras beim Landeswettbewerb reüssierte, hat jedoch allen Grund sich zu freuen. Der 13-jährige Konzertgitarrist aus Bad Tölz hat sich damit schließlich einen exzellenten zweiten Preis beim diesjährigen digitalen Bundeswettbewerb erspielt. Mit Stücken von Johann Sebastian Bach, vom Brasilianer Heitor Villa-Lobos und mit einem vertrackten Tango des 2016 gestorbenen Gitarristen Roland Dyens konnte Kobras zeigen, welche künstlerischen Ansprüche schon die 13-Jährigen bei Jugend musiziert verwirklichen. Letztlich gehe es nur darum, sagt sein Vater Steffen Brunner, das hohe musikalische Niveau, das die Kinder haben, aufrechtzuerhalten und zu fördern. Da sei ein Wettbewerb als Ziel eine wichtige und gute Motivation, auf die Abschlussnoten komme es da weniger an. Sein Sohn und Schüler - Brunner ist in Personalunion auch Simon Kobras' Lehrer, gemeinsam mit dessen Mutter Stefanie Kobras - habe die Video-Aufnahmen für die Wertungen konzentriert und überzeugend gemeistert, obwohl das Format ambivalent ist. "Das hat Vor- und Nachteile. Man hat mehr Ruhe und kann Sachen wiederholen, aber zu wissen, dass man das noch mal spielen kann, mag auch zu Nachlässigkeiten verleiten." Der letzte digitale Auftritt, den Simon Kobras im Tölzer Heimatmuseum absolvieren durfte, sei aber ein sehr schönes, besonderes Ereignis gewesen, auch wenn das Publikum gefehlt habe. Das sei vielleicht das größte Manko: die ausbleibende Sofortreaktion, weiß Steffen Brunner. Man möchte sofort belohnt werden. Fürs Erste ist der Wettbewerb vorbei - was nicht heißt, dass jetzt eine Pause folgt: Neue Stücke warten schon auf Kobras.

Veronika Rest

(Foto: Manfred Neubauer)

Unter den jungen Musikerinnen und Musikern des Landkreises, die heuer am Bundeswettbewerb teilnehmen durften, war Veronika Rest aus Gaißach die einzige in einer nicht-klassischen Kategorie. Mit ihrem E-Bass und mit der Schlagzeug-Begleitung von Amelie Müller erspielte sie sich einen dritten Preis. Was die Jurys der verschiedenen Wettbewerbsstationen überzeugt haben muss, sind die Kreativität und die Fantasie der 16-jährigen Bassistin - so spielte sie nicht nur eine eigene, aktualisierte Bearbeitung des Klassikers "Que Sera Sera" von Jay Livingston, sondern auch eine Ad-hoc-Improvisation. Das ist keine einfache Aufgabe, zumal unter Wettbewerbsbedingungen. Aber Veronika Rest spricht auch darüber mit einer Coolness und einer Lässigkeit, die all das leicht erscheinen lassen: "Man braucht schon ein bisschen musikalisches Wissen und Gehör, und auch ein bisschen Kreativität, aber das ist alles kein Problem." Diese Sicherheit ist auch eine Frage des Trainings. Doch wer in so jungen Jahren wie Rest angefangen hat, in verschiedenen Besetzungen zu musizieren, braucht sich darum nicht zu sorgen. Seit bereits acht Jahren spielt sie mit ihrer Schwester und einem gemeinsamen Freund in der Band Break Outs, mit der sie zahlreiche Auftritte absolviert hat und mit der sie auch beim Band-Wettbewerb "SchoolJam" Erfolge feiern konnte. Trotzdem sieht Veronika Rest die Situation ganz klar. Das Musikerdasein sei nicht immer leicht, was besonders in den vergangenen Monaten offensichtlich wurde. Deshalb hat sie, die nebenbei auch noch ihren Schulabschluss gemacht hat, sich erst mal für eine andere Richtung entschieden. Eine Ausbildung zur Kirchenmalerin wartet auf sie. Mit der Musik wird deshalb aber trotzdem nicht Schluss sein.

© SZ vom 29.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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