Isar-Loisach-Medaille:Die Tiefenforscher

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Wolfgang Pintgen und seine Mitstreiter vom Arbeitskreis Historisches Geretsried leisten grundlegende Recherchearbeiten für die Stadt

Von Felicitas Amler, Geretsried

Die Geschichtsforschung in Geretsried ist eine Sache des Ehrenamts. Und "eine Alterserscheinung", wie Wolfgang Pintgen sagt. Der Kinderarzt mit ehemals eigener Praxis in Geretsried ist 78 Jahre alt; mit einer Handvoll anderer hat er im Jahr 2003 auf Initiative des Gymnasiallehrers Arthur Zimprich den Arbeitskreis Historisches Geretsried (AKH) gegründet. Für Geschichte, zumal die des eigenen Orts, interessiert man sich seiner Ansicht nach eher in fortgeschrittenem Alter. Pintgen, heute Sprecher des AKH, sagt, er habe Geretsried aber auch deswegen näher beleuchten wollen, weil ihn die herablassende Art der anderen beiden Städte im Kreis, Wolfratshausen und Bad Tölz, geärgert habe. Dabei habe doch die seinerzeit als "Gschwerlsried" geschmähte Stadt damals schon manches mehr zu bieten gehabt als etwa die Nachbarn: "Ein Gymnasium, ein Hallenbad, ein Eisstadion." Dass sie auch eine zwar vergleichsweise kurze, aber noch längst nicht in allen Details erforschte Geschichte hat, beweist der Arbeitskreis mit seinen ambitionierten Vorträgen und Publikationen.

Das Projekt, an dem gerade gearbeitet wird, ist in seiner zeitgeschichtlichen Bedeutung wie in seinem Umfang enorm: Die Geschichte der beiden NS-Munitionswerke, auf denen die Stadt gründet, wird am Ende der Recherchen neun "Geretsrieder Hefte" umfassen. Zwei sind bisher erschienen: "Warum die Munitionswerke im Wolfratshauser Forst errichtet wurden" und "Planung und Bau der DAG und DSC samt Nebenanlagen". Dass Ehrenamtliche so tief in die Zeitgeschichtsforschung einsteigen, ist ungewöhnlich. Kein Wunder, dass die Stadt dies gern mit Zuschüssen fördert.

Das Erste, was die umtriebigen Hobbyhistoriker der Stadt als dauerhaftes Ergebnis lieferten, waren die mit Texttafeln gekennzeichneten "Wege der Geschichte" - einer in Geretsried Nord, einer in Süd, später auch einer in Gelting. Vortragsreihen befassten sich mit "Geretsried von der Eiszeit bis zur Neuzeit" oder mit den Landsmannschaften der Vertriebenen, die Geretsried nach dem Zweiten Weltkrieg überhaupt erst zur Stadt auf- und ausbauten. Es gab Ausstellungen etwa zu 60 Jahre Ankunft der ersten Vertriebenen aus Graslitz, zu Geretsried als Filmkulisse ("Himmel ohne Sterne") oder zu 925 Jahre Geretsried.

Pintgen selbst sieht sich im AK nicht so sehr als Rechercheur und Forscher, sondern als Organisator und Koordinator. Eine Satzung erstellen, Arbeitssitzungen vorbereiten, Zeitzeugen ansprechen, Ideen delegieren: "Das sind so die Sachen, die ich mache." Umso mehr betont er, die Auszeichnung mit der Isar-Loisach-Medaille gelte dem ganzen Arbeitskreis, er nehme sie nur stellvertretend für diesen entgegen.

Der AKH heute, das sind 18 Personen, unter denen die Jüngeren und die Frauen in der Minderheit sind. Jeder, der sich anschließen wolle, sei willkommen, sagt Pintgen. Die Initiative, dessen Mitglied Werner Sebb vor vier Jahren bereits mit dem Deutschen Bürgerpreis ausgezeichnet wurde, sei "angekommen", sagt Pintgen. Er meint damit die öffentliche Wahrnehmung und den Respekt. Das Schönste für ihn jedenfalls sei es, "dass wir als kompetente Gruppe angesprochen werden". Gerade eben sei wieder so eine Situation gewesen, erzählt Pintgen: Die Stadt habe bei Arbeiten am Brauneckweg eine Säule entdeckt, deren Bedeutung sie sich nicht erklären konnte. Der Arbeitskreis konnte es: Eine Notrufsäule aus der Zeit der Rüstungsbetriebe.

© SZ vom 01.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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