Investitionen:Benediktbeurer Baustellen

Lesezeit: 4 min

Die Gemeinde hat derzeit viele Projekte abzuarbeiten - und erwartet Einbußen wegen Corona. Das örtliche Gewerbe allerdings floriert

Von Klaus Schieder, Benediktbeuern

Von der Terrasse des heimeligen Einfamilienhauses geht der Blick über flache Wiesen hinüber zu den Bergen. Die Gipfel scheinen in der klaren, schon kühlen Spätseptemberluft näher zu sein als sonst. Bürgermeister Toni Ortlieb (Benediktbeurer Bürgervereinigung) hat auf dem Gartentisch ein iPad und mehrere Zettel mit Zahlenkolonnen aus dem Haushalt der Gemeinde liegen. Der Blick darauf hellt seinen Gesichtsausdruck nicht unbedingt auf. "Die Ausgaben werden steigen", prophezeit er. Das liegt an den Folgen der Corona-Pandemie. Der Bezirk Oberbayern werde für Soziales mehr ausgeben müssen, was wiederum die Kreisumlage erhöhe - "das wird nicht wenig sein". Ortliebs Schlussfolgerung für die Ausgabepolitik der Gemeinde: "Wir werden auf Sicht fahren müssen."

Da trifft es sich gut, dass Benediktbeuern schon einiges erledigt hat. Die größte Maßnahme in diesem Jahr war der Straßenbau, wobei die Kommune auch gleich neue Wasserleitungen verlegen ließ. Das geschah in der Wettersteinstraße, wo die Rohre saniert wurden und dann die Fahrbahnoberfläche erneuert wurde. Ebenso am Oberjägerweg vom Ortsausgang bis zum Gasthaus Schreiner. Dabei wurden in diesem Außenbezirk des Klosterdorfs auch Glasfaserkabel mit verlegt. "Wir sind eine der wenigen Gemeinden, die den Glasfaseranschluss bis zu den Grundstücken haben", sagt der Bürgermeister. Nur im Zentrum gilt dies nicht, weil die Internet-Geschwindigkeiten dort über der Grenze von 30 Megabit pro Sekunde liegen; der Ortskern gilt damit nicht als unterversorgt und fällt somit auch nicht in die Förderung des Freistaats. Ortlieb wundert es, dass sich die Eigentümer in Mehrfamilienhäusern nicht auf einen Glasfaseranschluss mit Kosten von je 699, respektive 799 Euro einigen konnten. "Dass sie das nicht gemacht haben, ist etwas, das ich nicht nachvollziehen kann."

Auch andere Projekte hat Benediktbeuern fertiggestellt. Am Rathaus entstand der Gemeindepark im Zuge der Dorferneuerung, mit neuen Wegen, neuen Ruhebänken, integriertem Kinderspielplatz, der schon vorher hergerichtet worden war, und Pavillon. Kostenpunkt: rund 300 000 Euro. Im Oktober soll die Anlage noch bepflanzt werden. Die Blumenzwiebeln seien schon geliefert worden, sagt der Bürgermeister. Wegen Corona müsse aber noch geregelt werden, wie die gemeinsame Gartenarbeit der Einwohner gestaltet werde. Im Zuge der Dorferneuerung wird auch die Sanierung der Asamstraße gefördert. Nach einer Exkursion des Gemeinderats und des Fachbüros Mooser Ingenieure aus Kaufbeuren einigte man sich auf einen neuen Gehwegbelag aus Granitstein. Die Fahrbahn wird asphaltiert, die Wasserleitung erneuert.

Nach dem Lockdown stellte die Gemeinde zusätzliches Personal fürs Alpenwarmbad ein. (Foto: Veranstalter/oh)

Auch den Dorfplatz, die Dorfstraße und die Alexander-Thalhuber-Straße will die Gemeinde angehen. Das Kopfsteinpflaster sei dort schon "am Ende der Lebensdauer", sagt Ortlieb. Der alte Belag werde wegen der hohen Verkehrslärmemissionen von Anwohnern nicht gerade geschätzt. Wann die Umgestaltung erfolgen soll, ist wegen Corona jedoch noch unklar. Geplant sind mehrere Bauabschnitte, die Kosten werden momentan auf rund drei Millionen Euro geschätzt. Die Bevölkerung soll sich an den Projekt beteiligen können. Auf welche Art, weiß Ortlieb noch nicht. In der Pandemie könne man ja "kein großes Bürgerforum" veranstalten, sagt er. "Da braucht es andere Formen, wie man zusammenkommt."

Ein weiteres Vorhaben der Kommune ist das Einheimischenmodell, das am nördlichen Ortsrand westlich vom neuen Feuerwehrhaus geplant ist. Für die 21 Bauparzellen hat man im Rathaus eine Rangliste der Bewerber erstellt. Die Schreiben an die Interessenten seien gerade rausgegangen, so der Bürgermeister. Die Straße zu den künftigen Häusern sei fertiggestellt, die Grundstücke seien parzelliert und baureif. "Ich hoffe, wir schaffen es, dass wir heuer die Vertragsunterzeichnungen bekommen."

Ansonsten ist Bauland in Benediktbeuern für Einheimische kaum noch erschwinglich. Ein Quadratmeter kostet mittlerweile fast eine vierstellige Summe, "da wird es schwierig", sagt Ortlieb. Dafür gibt es mehrere Ursachen. Zum Ersten liegt das Klosterdorf noch im Sog der Metropolregion München, der Zuzugsdruck nimmt stetig zu. Zum Zweiten hat man mit dem Pharmakonzern Roche in Penzberg einen großen Arbeitgeber in der Nähe, der immer wieder Wohnungen für seine Angestellten braucht. Zum Dritten lockt das Kloster mit seiner Katholischen Stiftungsfachhochschule - "das definiert auch eine Nutzergruppe", so Ortlieb. Und schließlich bietet die Gemeinde mit ihren kulturellen Veranstaltungen und den Freizeiteinrichtungen eine hohe Lebensqualität. "Wir haben wenig Angebote", sagt der Bürgermeister mit Blick auf den Immobilienmarkt. Und die gingen "meist unter der Hand weg". Eine gewichtige Rolle spielt auch das Selbstverständnis von Benediktbeuern: "Jeder schätzt den dörflichen Charakter."

Der Spielplatz am Rathaus wurde in den neuen Gemeindepark integriert. (Foto: Manfred Neubauer)

Dieses ruhige Flair genießen auch die Touristen. Nach dem Ende des Lockdown waren die Ferienwohnungen und die Hotels in der Klostergemeinde "voll ausgebucht", wie Ortlieb mitteilt. Von dem Trend vieler Urlauber, heuer im eigenen Land die Ferien zu verbringen, habe man profitiert. Andererseits litten die Benediktbeurer auch unter den Schattenseiten des Tagestourismus. Der Ausflugsverkehr zum Kochel- und zum Walchensee, der in den vergangen Jahren alleine durch das Wachstum von München zugenommen hatte, floß heuer noch stärker durch den Ort. "Früher fuhren die Leute morgens in die Berge und abends zurück nach Haus, jetzt hatte man den Verkehr nach Kochel bis 14 Uhr, dann kam er gleich wieder zurück." Dies besser zu steuern, bezeichnet Ortlieb als schwierig. Auch am Tagestourismus hingen nun mal "viele Arbeitsplätze dran": in der Gastronomie, im Einzelhandel.

Das Alpenwarmbad hatte die Gemeinde nach dem Ende der Ausgangsbeschränkungen im Juni wieder aufgesperrt. Sie stellte zusätzlich Personal ein. Die Beschäftigten sollte darauf achten, dass die Hygiene- und Abstandsregeln von den Gästen eingehalten wurden, die Desinfektion sicherstellen, den Badebetrieb in zwei Schichten gewährleisten. Das kostete mehr Geld, zumal der einkalkulierte Umsatz von 90 000 auf etwa 60 000 Euro schrumpfte. Unterm Strich dürfte laut Ortlieb heuer voraussichtlich ein Minus von bis zu 150 000 Euro stehen.

Auch sonst wird die Corona-Krise an den Finanzen der Gemeinde nicht spurlos vorübergehen. Die Kommune, die unter anderem einen zehnprozentigen Anteil von 1,3 Millionen Euro für die Sanierung des Südarkadentrakts im Kloster zahlen muss, lebt vor allem vom Anteil an der Einkommenssteuer. 2,7 Millionen Euro waren heuer im Haushalt eingeplant, nur etwa 2,5 Millionen dürften es am Ende werden. Bei der Gewerbesteuer, die eine Million Euro beträgt, rechnet Ortlieb dieses Jahr noch nicht mit einem Minus. Die meisten Betriebe in Benediktbeuern sind in der weiter florierenden Bauwirtschaft und im Handwerk tätig. Allerdings glaubt er ob dieser Gewerbestruktur auch nicht daran, von staatlichen Corona-Konjunkturprogrammen zu profitieren. "Ich gehe nicht davon aus, dass wir da viel bekommen werden."

Wichtig wären solche Finanzhilfen für den Bürgermeister erst 2021 und 2022. Immerhin hat die Gemeinde in den kommenden Jahren noch einiges vor. So soll zum Beispiel der Wohnmobilstellplatzes ertüchtigt und ein wenig vergrößert werden, das Kanalnetz muss zum Teil saniert, die Straßenbeleuchtung soll auf LED umgestellt werden. Und daneben ist auch noch der neue Flächennutzungsplan aufzustellen. Darin soll unter anderem ein Areal für den Aushub bei Bauarbeiten festgelegt werden. Infrage kommt dafür eine Fläche südlich des Gewerbegebiets entlang der Bahnlinie, wahlweise die alte Deponie beim Gewerbegebiet. Ortlieb hat mithin viel Arbeit und noch so manche Probleme vor sich. Der schöne Aussicht von seiner Terrasse wird er gut brauchen können. Zum Stressabbau.

© SZ vom 30.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: