In der Corona-Pandemie:"Beste Schwestern" jetzt auch Tanten

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Soroptimistin Claudia Harrasser hilft einem Mädchen im Frauenhaus bei den Schulaufgaben. (Foto: privat)

Soroptimistinnen helfen Kindern im Frauenhaus

Von Moritz Hackl, Bad Tölz-Wolfratshausen

In der Corona-Pandemie sind viele Eltern an ihre Belastungsgrenze gekommen, weil sie sich zusätzlich zu Beruf und Alltag um das Homeschooling ihrer Kinder kümmern mussten. Auch den Soroptimistinnen (SI) ist es so ergangen. "Und da haben wir uns gedacht, wenn wir schon an unsere Grenzen kommen, wie geht es wohl dann erst Frauen in Frauenhäusern?", sagt die Präsidentin des Soroptimist-Clubs Isartal, Claudia Harrasser. Daher haben sich die 21 Frauen, die der lokalen Gruppe des internationalen Vereins angehören, mit dem Wolfratshauser Verein Frauen helfen Frauen in Verbindung gesetzt.

Das Fördern von Bildung und das Bessern der Lebensbedingungen von Frauen und Mädchen ist Teil der Soroptimistinnen-Charta. Genau wie Nachhaltigkeit, Zugang zu medizinischer Versorgung, wirtschaftliche Unabhängigkeit und Arbeit gegen Gewalt - immer mit dem Fokus auf Frauen und Mädchen. In Deutschland gibt es 225 Ableger des Clubs mit insgesamt 6000 Mitgliedern. Das Wort Soroptimistin leitet sich aus lateinisch sorores optimae, die besten Schwestern, ab.

"Wir wollten unsere Hilfe anbieten und den Kindern der Frauen bei ihren Schulaufgaben helfen", sagt die Sprecherin der Soroptimistinnen, Evelyn Zuber. Und die Hilfe wurde angenommen. Anfangs sei es gar nicht so leicht gewesen, einen Zugang zu finden zu den Kindern, deren Lebensgeschichten sie zur Vorsicht und Zurückhaltung drängen. "Am Anfang waren wir nur so etwas wie Nachhilfelehrerinnen", erinnert sich Harrasser. Doch mit der Zeit änderte sich die Beziehung zu den Kindern und den Müttern. "Heute nennen die Kinder mich ihre Tante", sagt Harrasser. Sie sei keine fremde Frau mehr, sondern in den Familienkreis aufgenommen. "Und ich lerne dabei auch so viel", sagt sie. So habe sie nicht nur eine Einführung in die afrikanische Küche bekommen, sondern auch die Möglichkeit, das eigene Leben mit all seinen Privilegien durch andere Augen zu sehen. "Wenn man der Mutter erklären muss, warum sie für die Schule so viele verschiedenfarbige Umschläge für Hefte brauchen, dann kommt man selbst ins Stutzen: Ja, warum eigentlich?"

Die neun Kinder, die von den Soroptimistinnen betreut werden, haben das Angebot nicht nur angenommen. Mittlerweile rufen sie ihre neuen "Tanten" teilweise abends an, um noch mal mit ihnen Lesen zu üben. Oder sie schreiben zusammen Texte, in denen die Kinder ihren Alltag reflektieren und so Gespräche über tief greifende Themen möglich werden. "Es ist für mich so bereichernd", sagt die Präsidentin über ihre Erfahrung mit ihren neuen Nichten und Neffen.

Für die Sprecherin des Vereins Frauen helfen Frauen, Nicoline Pfeiffer, war das Projekt der Soroptimistinnen "ein reiner Glücksfall", sagt sie. Was sie dabei besonders freue: dass das Projekt, das ursprünglich nur für die Zeit des Lockdowns angesetzt war, noch immer weitergeht und sich zwischen den Kindern und den Frauen nicht bloß Nachhilfebeziehungen, sondern echte Bindungen entwickelt haben.

Auch die anderen deutschen Clubs sind überzeugt von dem Patenschaftsprojekt der Isartaler. Deshalb wurde es zum Projekt des Monats Juli auserkoren. "Diese Auszeichnung soll vor allem einen Vorbildcharakter haben", sagt Zuber. Denn es gebe nie zu viele Nachahmer, wenn etwas Gutes geleistet werde.

Im Jahr 2021 feiern die Soroptimisten International ihr 100-jähriges und der SI-Club Isartal sein 35-jähriges Bestehen. Das soll gefeiert werden: Online mit einem Tonic Tasting, für das alle, die Interesse an der Arbeit des Clubs haben, sich auf deren Website anmelden können. https://clubisartalbadtoelz.soroptimist.de/home

© SZ vom 24.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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