In Bad Tölz:Mit gutem Geschmack gegen den Müll

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Das "Ois Ohne" an der Hindenburgstraße in Bad Tölz wurde im Mai 2019 als erster Unverpackt-Laden im Landkreis eröffnet. Mit neuen Regalen, Schildern und anderen Abständen sollen die Innenräume bis Juni umgestaltet werden. (Foto: Manfred Neubauer)

Ein Jahr nach der Eröffnung zieht "Ois ohne", der erste Unverpackt-Laden im Landkreis, durchweg positive Bilanz. Die Macher hoffen auf langfristigen Erfolg

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Den Joghurt, den ein junger Mann gerne hätte, muss sie erst wieder bestellen. Aber das Shampoo, nach dem sich eine Frau mittleren Alters erkundigt, hat Anna Meßmer vorrätig. Wie man diese Seife denn richtig anwende, möchte die Kundin wissen. Davon müsse man nicht so viel verwenden wie bei anderen Haarwaschmitteln, "das hält schon mehrere Monate", sagt die Studentin und Gründerin des "Ois ohne" an der Hindenburgstraße in Bad Tölz. Die Frau reagiert mit einem begeisterten "Oh ja", zahlt und packt die Seife in ihrem kleinen Rucksack. Eine andere Kundin sucht unterdessen das Regal gegenüber der Eingangstür nach einer Salbei-Haarseife ab und findet sie nicht. Anna Meßmer hat das Produkt aber noch auf Lager. So geht es munter weiter an diesem Nachmittag im späten August im ersten Unverpackt-Laden im Landkreis. Ständig kommt jemand herein, was die junge Initiatorin selbst ein wenig überrascht: "Wir haben zwischen 50 und 70 Kunden am Tag, unsere Erwartungen wurden übertroffen."

Seit Mitte Mai hat das "Ois ohne" geöffnet und lockt seither "nicht nur Ultra-Ökos" an, wie Meßmer berichtet. Zu ihrem Publikum gehören zwar auch Leute, die aus Überzeugung zuvor nach München fuhren und dort plastikfreie Geschäfte aufsuchten. Aber auch solche, die ihre ersten Erfahrungen mit Bio und mit plastikfreiem Einkauf sammeln. Ebenso bunt gemischt sind die Altersgruppen. Ins "Ois ohne" kommen Familien und Jugendliche ebenso wie Senioren. "Wir haben auch schon viele Stammkunden, und jeden Tag kommen neue hinzu", sagt Anna Meßmer.

Sonderlich viel Platz ist nicht in dem Laden, der ein wenig abgerückt an der Hindenburgstraße 11 liegt. Das Geschäft besteht im Grunde genommen nur aus einem größeren und einem schmalen Verkaufsraum. Links neben dem Eingang befindet sich ein kleines Café mit Tischen und neun Stühlen, rechts der Tresen, an dem es Espresso, Cappuccino, Bio-Schorle, Wasser oder auch Schokolade gibt. Dahinter liegt das Zimmer mit den gläsernen Schütten an der Wand, die Haferflocken, Dinkel oder Grünkerne aus der Off-Mühle in Sindelsdorf beinhalten, ebenso Risotto-Reis von der Antersdorfer Mühle, Quinoa vom Obsthof Knab oder auch Linsen von der Lauteracher Alb. Gleich darunter befinden sich rechteckige Boxen, aus denen die Kunden mit einer kleinen Kelle unter anderem Nüsse, Mandelblätter oder Krunchy herausschöpfen können. Im Regal gegenüber stehen weiße Dosen mit Korkdeckel, worin sich diverse Gewürze befinden, in Glasbehältern lagern getrocknete Feigen, Pfirsiche, Cranberries. Zum Angebot zählt überdies bayerischer Reis. Der werde aus einer besonderen Getreidesorte gewonnen, die nicht viel Wasser aufnehme, sagt Anna Meßmer. "Das schmecke total gut." Und sei sehr verträglich. Neben dem Glasschrank mit Molkereiprodukten gibt es auch ein paar Süßigkeiten. Dabei handle es sich um übrig gebliebene Bruchschokolade von Bio-Herstellern, die von einer Firma aufgekauft und weiter veräußert werde. "Das ist doppelt nachhaltig."

Neben den Regalen mit Schreibwaren wie Holzkugelschreibern, Holzmarkern und Holzbleistiftspitzern, mit Trinkflaschen und Glasstrohhalmen sind die neun Stühle des kleinen Cafés leer. Mitten in den Sommerferien macht Anna Meßmer mal zwei Wochen Pause mit dem Mittagstisch, an dem sie dort sonst Salate, Suppen und Aufläufe serviert. Die Gäste seien hier zumeist berufstätige Erwachsene, erzählt sie. Auch junge Leute vom nahen Tölzer Gymnasium kommen gelegentlich zum Essen. Ob darunter auch welche von der "Fridays for Future"-Bewegung sind, kann sie nur vermuten. "Ein paar von ihnen kommen zum Einkaufen", meint sie. Der Mittagstisch sei ja vor allem dafür gedacht, den "To-go-Müll zu reduzieren". Gut besucht war er bislang immer. "Gott sei Dank haben wir draußen im Garten noch Platz, aber wenn es geregnet hat, dann war es immer voll".

Um den Umsatz muss sich Anna Meßmer nicht sorgen, auch wenn zweieinhalb Monate nach der Eröffnung schon das Sommerferienloch folgte. "Er ist besser, als wir kalkuliert haben", sagt sie. Im August habe es finanziell jedenfalls keinen Einbruch gegeben. Gleichwohl bleibt sie vorsichtig: "Es ist schwierig, schon jetzt eine Bilanz zu ziehen." Finanziert wurde das Projekt über ein Crowdfunding, das 32 000 Euro einbrachte, und über einer Spende der Parfümerie Wiedemann in Höhe von 8000 Euro. Außerdem steht hinter dem Unverpackt-Laden in Tölz eine Genossenschaft, die inzwischen mehr als 130 Mitglieder zählt. Jeder Genosse zeichnet einen Anteil von mindestens 150 Euro. Neben Meßmer arbeiten zwei Teilzeitangestellte und eine 450-Euro-Kraft im "Ois ohne".

Von den Kunden hat die Gründerin und Studentin selten Beschwerden zu hören bekommen. Der eine oder andere beklagte sich, dass der Laden an der Hindenburgstraße doch ziemlich versteckt liege. Parkplätze gibt es in der Nähe kaum, aber das spielt Meßmer zufolge kaum eine Rolle. Die meisten Leute kämen mit dem Fahrrad oder zu Fuß, einige hätten ihr Auto eben andernorts abgestellt. Auch die Preise, die etwas, aber nicht signifikant über Supermarktniveau liegen, sind kaum ein Gesprächsthema. Eher schon äußern die Klienten ihre Wünsche fürs Sortiment. Die einen hätten gerne spezielle Haferflocken, die anderen Essig und Öl, wieder andere Frischkäse. An den Plastikkanistern für Gallseife oder Olivenwaschmitteln hat sich im plastikfreien Laden noch niemand gestört. Die werden ja auch zurückgeschickt, gewaschen, befüllt und wieder nach Tölz gesandt, wie Meßmer erzählt. So ganz plastikfrei geht es eben noch nicht.

Im "Ois ohne" kauft sie selbst gerne ein. Einmal in der Woche besorge sie anderswo noch Obst und Gemüse, fast alles andere bekomme sie im eigenen Laden, sagt sie. Ob die Kunden auch künftig so oft in den kleinen Laden an der Hindenburgstraße kommen, wenn Klimawandel, Plastikmüll und "Fridays for Future" einmal nicht mehr die beherrschenden Themen in den Medien sind? Sie hoffe, dass dies für die Menschen "nicht nur ein Hype" sei, sagt Meßmer. "Es muss sich ja langfristig was ändern."

© SZ vom 29.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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