Improvisiertes Kabarett in Tölz:Ein Kessel Buntes

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Er lebt als Nichtbayer in Waakirchen - und damit in "völliger Isolation": Bei Kai Schmidt-Wussow sprang der Kabarett-Funke aufs Publikum über. (Foto: Wolfsbauer)

Mitglieder der Komischen Gesellschaft zeigen ihr ganzes Repertoire

Von Arnold Zimprich, Bad Tölz

Es ist voll in der Alten Madlschule in Tölz, knallvoll. Die Komische Gesellschaft hat es an diesem Donnerstagabend geschafft, die altehrwürdigen Räume bis auf den letzten Platz zu besetzen. Was das Publikum angeht, ist der Abend also eine "g'mahde Wiesn" für Sepp Müller, dem ehemaligen Vorstandsmitglied des Kulturvereins Lust und Musiklehrer in Lenggries. "Habt's Ihr Euch mit Kleinkunst schon mal auseinandergesetzt?", fragt Müller und gibt die Antwort, was Kleinkunst bedeutet, gleich selbst: "Kleine Bühnen, kleine Gagen, kleine Budgets."

An diesem Abend gibt es dafür aber ein umso größeres Programm, denn Müller bittet hintereinander mehr als zehn Akteure auf die Bühne, darunter vier Einzeldarsteller und die Improvisations-Theatergruppe um Jürgen Reif. Die Schauspieler haben ihre Darbietungen in zwei Teile geteilt und treten dementsprechend zweimal auf - einmal vor- und einmal nach der Pause.

Den Auftakt macht Manuel Schwarz als auf dem Bauernhof urlaubender Norddeutscher Justus Hansen - das Nordlicht wird mit dem Satz "weder Fischkopp noch Schweinshaxe" vorgestellt. Schwarz irrlichtert mit viel Wortwitz zwischen Wunschvorstellung und Realität, beschwert sich über allerlei Ausdünstungen im Kuhstall ("Du kriegst die Biester ja nicht stubenrein") und hilft Bauer Sepp sogar bei der Arbeit. "Der hat schon Gülle gefahren, da war das Wort Shitstorm noch gar nicht erfunden!"

Dem in lupenreinem Hoch- oder besser Norddeutsch sprechenden Schwarz merkt man seine Verwurzelung in der Region an, streut er doch verballhornte Flurnamen in seine rund zwanzigminütige erste Vorstellung ein - so wird der Garlandhang am Brauneck schnell zum "galanter Hang". Das Publikum goutiert seine Wortdreher und verqueren Ansichten, wie das bayerische Bauernleben aus Sicht eines Hanseaten zu sein habe, mit Lachanfällen.

Stefan Urmann nimmt die Zuhörer indes mit auf eine literarische Reise in die amerikanische Mafia-Welt der 1960er Jahre und liest aus seiner wirren Gangster-Geschichte, wie sie sich die Coen-Brüder, das kongeniale Indie-Filmregisseur-Duo, nicht besser hätte einfallen lassen können. Am Ende ist die Leiche im Kofferraum schon zu lange tot, die Verwirrung groß - und Urmann empfiehlt sich als pointierter, ausdrucksstarker Vorleser.

Für Kai Schmidt-Wussow stellen sich nach Eigenauskunft jeden Morgen nach dem Aufstehen zwei Fragen: Gibt es einen Gott - und was soll ich heute anziehen? Seine schnelle Themensprünge halten das Publikum genauso auf Trab wie seine ausgeprägte Gestik und Mimik. Der Kabarett-Funke ist schnell übergesprungen. Ob er nun darüber sinniert, warum in einem Traum, in der er sich auf einer Kreuzfahrt befindet, ausgerechnet Schlagerstar Florian Silbereisen das Steuer übernimmt und sich der Traum so in einen Albtraum verwandelt, oder er darüber nachdenkt, wie es sich anfühlt, als Nichtbayer in "völliger Isolation" in Waakirchen zu leben ("so ein bisschen Angst vor Ausweisung habe ich schon manchmal") - Schmidt-Wussows Gags strapazieren die Lachmuskeln.

Peter Lichts Buch "Lob der Realität" wiederum dient Ulla Haehn als Lesevorlage. Haehn weiß den Kölner Musiker und Autor und dessen scharfsinnige, mitunter auch absurden Beobachtungen zu mehreren Themenkomplexen wie Krieg, Egoismus und dem Umgang mit Social Media eindringlich in Szene zu setzen. Der eine oder andere Zuhörer dürfte sich nach ihrer Darbietung auf den Weg in die nächste Buchhandlung machen.

Aufgelockert wird das Programm an diesem Abend durch den Auftritt von Jürgen Reifs Impro-Theatergruppe. Da Publikum gibt zum Teil Themen vor, die von den Schauspielerinnen und Schauspielern aufgegriffen und spontan auf die Bühne gebracht werden. So muss unter anderem der Inhalt eines müffelnden Windeleimers im Sanatorium entsorgt und das Liebesleben von Klosterschwestern erforscht werden - was den Abend in der Alten Madlschule letztlich lang, aber nicht minder unterhaltsam werden lässt.

© SZ vom 26.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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