Im Wahlkampf-Modus in Bad Tölz:Ackerland für Biotop geopfert

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Der Landtagsabgeordnete Florian Streibl sekundiert dem FW-Bundesvorsitzenden Hubert Aiwanger (re.). (Foto: Manfred Neubauer)

Freie Wähler ärgern sich über Verzögerung der Nordspange und fordern mehr Wohnungen und eine Schienenverbindung

Von Benjamin Engel, Bad Tölz

Die Rollen sind klar verteilt: Konrad Specker, Kreisrat der Freien Wähler und der Tölzer Stadtrat Michael Lindmair sind im Gasthof Kolberbräu am Montagabend die Stichwortgeber. Und daraus skizziert Hubert Aiwanger, Fraktionsvorsitzender im Bayerischen Landtag, Bundes- und Landesvorsitzender seiner Gruppierung, die großen Leitlinien im Vorgriff auf die Bundestagswahl.

Er spricht vom "Ausgleichsflächenirrsinn", von einem dringend erforderlichen Mehr an Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur oder von Einheimischenmodellen wieder zurück in der Hand der Kommunen. Der Landtagsabgeordnete Florian Streibl, die Kreisvorsitzende Susanne Merk sowie die Geretsrieder Stadträte Vera Kraus und Robert Lug sind die Sekundanten, um im Bild zu bleiben.

Für Lindmair ist unverständlich, warum für den Bau der Tölzer Nordumgehung, der sogenannten Nordspange, ausgerechnet ein hochwertiges landwirtschaftliches Areal als ökologische Ausgleichsfläche vorgesehen ist. "Warum kann man davon nicht abweichen", fragt er. Und der Tölzer Stadtrat moniert die lange Planungszeit. Denn schon im Jahr 2000 habe damit der heutige Freie-Wähler-Landrat Josef Niedermaier - damals noch Bürgermeister der Kreisstadt - Wahlkampf gemacht. In der Zwischenzeit müsse an den Planungen ständig nachgebessert werden. "Es gibt immer neue Verordnungen."

Auf das Stichwort scheint Aiwanger nur zu warten. Er fordert, mit Agrarland sorgsamer umzugehen und weniger Ausgleichsflächen auszuweisen. Beispielhaft nennt er ein neues Hochwasserrückhaltebecken am Rand eines niederbayerischen Dorfes. Aus landwirtschaftlichem Grund sei ein Froschtümpel mit Buschwerk entstanden, sagt er.

Allein schon dadurch sei das Areal ökologisch wertvoller. Und trotzdem hätte man auf Ausgleichsflächen bestanden. Das müsse auf allen politischen Ebenen korrigiert werden. "Das geht am Ziel vorbei. Dieser Ausgleichsflächenirrsinn hat mit der Realität nichts mehr zu tun."

Das Spiel wiederholt sich. Kreisrat Specker tritt dafür ein, den öffentlichen Personennahverkehr auszubauen und mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern. Projekte wie die angedachte Gleisverbindung von Weilheim im Westen nach Miesbach im Osten und damit auch durch den Tölzer Landkreis würden "leider" nicht weiterverfolgt, beklagt er.

Von einer Verlagerung auf die Schiene spricht auch Aiwanger. "Deutschland erstickt im Verkehr", sagt er. Gleichzeitig fordert er, mehr der Milliardeneinnahmen aus Kfz- und Mineralölsteuer in die Verkehrsinfrastruktur zu investieren. Denn Baustellen müssten dringend schneller abgeschlossen werden, selbst wenn das 10 000 oder 100 000 Euro mehr koste.

In der Frage nach mehr gefördertem Wohnungsbau sind sich alle einig. Specker will sich für ein Einheimischenmodell im Geschossbau in seiner Heimatgemeinde Bad Heilbrunn stark machen, wenn das neu Ortszentrum entsteht. Künftig könne nicht mehr jeder ein Einfamilienhaus auf 1000 Quadratmeter Grund errichten.

Für Lindmair ist die projektbezogene Ausschreibung das geeignete Mittel, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Damit könnten Kommunen vorgeben, dass auf einem Grundstück 30 Prozent Sozialwohnungen gebaut werden müssten. Genauso wie Streibl sieht er auch Erbpachtmodelle als Lösungsansatz. Für die Kreisvorsitzende Merk müssen die Kapazitäten im Bestand noch deutlich besser genutzt werden. Sie fordert mehr Möglichkeiten zu schaffen, um Dachgeschosse zu Wohnraum ausbauen zu können. Das scheitere noch zu oft etwa an Vorgaben zur Dachneigung. Geht es nach Aiwanger, lassen sich nur mit dem Bau von mehr Wohnungen die Preise am Markt drücken. Und zu Einheimischenmodellen hat er eine klare Meinung: "Da müssen die Kommunen wieder die Hand drauf haben, das ist nicht Sache der EU."

© SZ vom 09.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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