Im Rathaus von Münsing:Seit 40 Jahren im Dienst

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Münsings Kämmerer Hubert Kühn kann mit Rekordeinnahmen kalkulieren. Damit in Zeiten von Negativzinsen richtig umzugehen, sei arbeitsaufwändig, sagt er. (Foto: Hartmut Pöstges)

Ursprünglich wollte Hubert Kühn Fliesenleger werden. Nun sitzt er schon seit vier Jahrzehnten im Rathaus von Münsing. Als Kämmerer betreut er dort inzwischen einen wachsenden Millionen-Haushalt

Von Benjamin Engel, Münsing

Schaut Hubert Kühn durch das Fenster seines Arbeitszimmers, liegt die Moränenlandschaft des bayerischen Oberlands vor ihm. In die weite Welt führen dagegen die Fotos an der Wand in seinem Rücken. Bilder der Inselwelten von Thailand oder Vietnam hängen über Aufnahmen von Hawaii oder der Golden Gate Bridge bei San Francisco im US- Bundesstaat Kalifornien.

"Eintönigkeit ist mein Tod", sagt der Geschäftsleiter und Kämmerer von Münsing. Er beschreibt sich als neugierigen Menschen, der gerne Neues kennenlerne - im Beruf genauso wie in der Freizeit. "Das Vielseitige hat mich schon immer gereizt", sagt er. "Das hält jung und macht mir Spaß."

Zum Klischee des paragrafenbesessenen Amtsstubenbeamten und zum Werdegang Kühns mag das beim oberflächlichen Blick kaum passen. Der 57-jährige Familienvater aus Ammerland hat im September vor 40 Jahren mit der Ausbildung im Münsinger Rathaus begonnen und ist bis heute dort geblieben. Kämmerer wurde er, als er gerade einmal 25 Jahr alt war. 2008 übernahm er die Geschäftsleitung im Rathaus. Am vergangenen Freitag hat ihn die Staatssekretärin des bayerischen Arbeitsministeriums für diese jahrzehntelange Berufstätigkeit mit der Ehrenurkunde des Freistaats ausgezeichnet. Das habe ihn gefreut, sagt Kühn. Denn damit drücke sich eine gewisse Art der Wertschätzung aus.

Der Verwaltungsbetriebswirt versteht sich selbst als Praktiker. Bürokratie müsse Sinn haben und nicht Personalressourcen unnötig binden, sagt er. Manches Problem, etwa beim Schulbus, lasse sich auch durch einen Anruf lösen. Deswegen wäre Kühn als reiner Zahlenmensch - schließlich ist ein Kämmerer für die jährliche Haushaltsaufstellung verantwortlich - nur unzureichend beschrieben.

Der Verwaltungsbetriebswirt ist Ansprechpartner für die Kindergärten, zertifizierter Ausbilder und Personalchef im Rathaus. Er muss darauf achten, dass das Betriebsklima unter den Mitarbeitern stimmt, niemand über- oder unterfordert ist. "Ich vergleiche mich mit dem Spieß einer Bundeswehr-Kompanie. Der schaut, dass der Laden läuft", beschreibt er sein Tätigkeitsverständnis. Außerdem hat Kühn als Standesbeamter mehr als 300 und damit die meisten Trauungen in der Gemeinde begleitet. Eine interessante, schöne Aufgabe, wie Kühn findet.

Im Münsinger Rathaus hat sich der gesellschaftliche Mentalitätswandel direkt niedergeschlagen. Ende der 1970er-Jahre hatte Kühn Fliesenleger werden wollen, was sich nach einer Knieverletzung beim Skifahren zerschlug. Sein Vater habe damals gesagt, dass im Rathaus Lehrlinge gesucht würden, schildert Kühn. "Das war praktisch und war etwas Besonderes." In der Kommunalverwaltung zu arbeiten, habe einen größeren Stellenwert gehabt. Heute melde sich auf Stellenanzeigen kaum noch jemand. Zudem hätten sich die Ansprüche der Bürger verändert. Nahezu alles werde angezweifelt, was die Arbeit komplexer mache. "Das Vertrauen in die Politik und Verwaltung ist weniger geworden."

Verändert haben sich auch die Gewerbesteuereinnahmen der Kommune. Seit etwa einem Jahrzehnt steigt die Summe laut Kühn sprunghaft von früher durchschnittlich 600 000 bis 700 000 Euro im Jahr auf derzeit 2,7 Millionen. Darüber sollte sich ein Kämmerer freuen. In Zeiten von Negativzinsen muss er aber umdenken. Früher habe er darauf achten müssen, möglichst hohe Zinsen zu bekommen. Jetzt gehe es darum, möglichst wenig Zinsen zu zahlen. Doch Herausforderungen reizten ihn auch, sagt er. Er will weiterhin aktiv bleiben. So schwingt er sich weiter wie bisher auf das Fahrrad, um zur Arbeit zu kommen.

© SZ vom 08.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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