Im ehemaligen Kloster Beuerberg:Gereifte Kunst

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Drei, die miteinander können: Anne Katharina Schreiber, Violine, Jutta Ernst, Klavier, Kristin von der Goltz, Violoncello. (Foto: Hartmut Pöstges)

Das "Trio Vivente" interpretiert als eingespieltes Ensemble Beethoven und Brahms ausgewogen und expressiv

Von Paul Schäufele, Eurasburg

Manche stürmen aufs Podium, die Geige in der Hand; andere schleichen zum Flügel, als wäre er ein geöffneter Sarg. Wie Musiker die Bühne betreten, sagt einiges über die Künstlerpersönlichkeit aus. Im Falle des Trio Vivente sieht man: Hier treten drei musikalische Partnerinnen vertraut miteinander vor das Publikum und freuen sich, ihre gereifte Kunst teilen zu können. Das Klaviertrio, das in den vergangenen Jahren unter anderem mit Einspielungen der Werke romantischer Komponistinnen von sich reden machte, präsentiert am Samstag im Kloster Beuerberg mit Werken von Beethoven und Brahms Höhepunkte der Trio-Literatur, ausgewogen und expressiv.

Und spätestens nach ein paar Takten aus Franz Schuberts jugendlichem Trio-Experiment in B-Dur wird hörbar, was es bedeutet, dass die Künstlerinnen seit mehr als 25 Jahren im Ensemble musizieren. Violine, Cello und Klavier sind ungleiche Partner, hier die Balance zu finden braucht Zeit. Doch in dem heiteren Satz treten Anna Katharina Schreibers feinsinniger Geigenklang, Kristin von der Goltz' beredtes Cellospiel und Jutta Ernsts delikate Anschlagskultur zusammen zu einem humorvollen Gespräch unter Freunden. Da hat jede Tonwiederholung Sinn, jeder Sekundvorhalt Ausdruck.

Schade, möchte man sagen, dass es bei dem einen Sonatensatz geblieben ist. Beethovens Jugendwerk in c-Moll ist da breiter angelegt und so substantiell, dass er es mit zwei anderen Trios als Opus 1 veröffentlicht hat. Das Trio Vivente spielt es mit der Verve des jungen Stürmers und Drängers, der sich angesichts des neuen, dramatischen Gestus in einem kammermusikalischen Werk die Kritik seines Lehrers Haydn gefallen lassen musste. Im ersten Satz brausen Triller, markante Sforzati wirken wie Stromstöße. Das Seitenthema hebt sich zunächst gesanglich davon ab, wird dann aber doch von der erregten Beweglichkeit des Satzes mitgerissen.

Das Thema des langsamen Satzes bildet den Gegenpart dazu: nach dem virtuosen Auftakt der Blick nach innen. In fließendem Tempo blättern die drei Musikerinnen den vielseitigen Katalog beethovenscher Variationskunst auf. Das intim-einfache Thema wird analysiert, fortgesponnen, verdichtet bis zur pianistischen Geläufigkeitsübung mit obligater Streicherbegleitung. In der darauffolgenden Minore-Variation finden Cello und Geige zum berührenden Lamento zusammen, das durch Schreibers und von der Goltz' noble Distanz nur an Ausdruck gewinnt.

Die schnellen Arpeggien im Menuett weisen die Richtung der letzten Sätze: nach oben, und auf möglichst virtuose Weise! Nur der Mittelteil, das Trio, klingt noch heller, wenn auch nicht weniger virtuos, wie die gefürchteten Oktavglissandi im Klavierpart beweisen. Das Prestissimo-Finale wird durch den Zugriff des Trios, der Virtuosität immer im Kontext begreift und als Ausdrucksmittel, zum aufregenden Abschluss.

Ein weiteres Stück des schon reiferen Schubert - vermutlich vom Verleger als "Nocturne" bezeichnet - könnte da als Beruhigungsmittel wirken, ließe nicht das klangfarblich differenzierende Spiel des Trios jeden Takt zum Ereignis werden. Über die einfache Klavierbegleitung legen sich Konsonanzketten in den Streichern, nie zu breit aussingend, nie zu süßlich, immer aufeinander hörend und mit feinem, lebendigem Klang.

Diese Klangkultur, eine Verbindung aus Intellekt und Empfindung, aus Kenntnis der historischen Aufführungspraxis und eigenem Ausdruck, ist eine Eigenheit des Trios Vivente. In Johannes Brahms' c-Moll-Trio Opus 101 können die Musikerinnen das leider nicht immer verwirklichen. Der Kopfsatz verliert im relativ zügigen Tempo an Klarheit, besonders im (allerdings notorisch anspruchsvollen) Klavierpart geht einiges verloren. Bei der für Brahms dichten Faktur, dem komplexen Aufbau und der Entwicklungsarbeit aus an sich basalen Motiven wäre da mehr Verständlichkeit wichtig. Im scherzoartigen "Presto non assai" trifft das Trio den Charakter des Stückes dagegen völlig. Eine seltsam unbestimmte Atmosphäre herrscht hier, Ergebnis der hohlen Oktaven im Klavier und dumpfen Pizzicati der Streicher. Das gleichsam eingeschüchterte Scherzo steht einem eindeutig lyrischen langsamen Satz gegenüber. Rhythmisch interessant durch ständigen Wechsel von geraden und ungeraden Taktzahlen (vielleicht eine Hommage an den bayerischen "Zwiefachen") entspinnt sich hier ein zarter Dialog zwischen Klavier und Streichergruppe.

Bemerkenswert ist, dass Schreiber und von der Goltz auch in diesem, hochromantischen Satz den Ton nur an wenigen, elegischen Stellen ganz gezielt durch Vibrato-Technik aufweichen. So auch im furiosen Finale, das in seiner balladenhaft anmutenden Kombination verschiedenartiger Episoden viel an dramaturgischem Geschick abfordert. Dunkle, akkordisch robuste Phasen stehen neben kantablen, chromatisch gefärbten Abschnitten. Lange bleibt in der Schwebe, ob das ein gutes Ende nehmen wird - bis zur ausgedehnten Schlusspartie, die sich brillant musiziert zu strahlendem C-Dur aufschwingt.

Das Publikum in der ehemaligen Schwesternkapelle des Klosters Beuerberg bedankt sich mit Bravo-Rufen und gibt mit seiner Begeisterung dem Trio Vivente noch einmal Gelegenheit, sich mit einem eleganten Beethoven-Satz als eingespieltes Ensemble zu zeigen: Jede der drei Musikerinnen ist zugleich Begleiterin und Primaria.

© SZ vom 07.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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