Im ausverkauften Kurhaus:Mit Mama und Flitscherl auf'm Kanapee

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Luise Kinseher gibt eine wortgewaltige und aufmüpfige Variante der Bavaria und hat selbst als angeschickerte Matrone noch linguistische Erkenntnisse parat

Von Wolfgang Schäl, Bad Tölz

Acht Jahre lang hat Luise Kinseher am Münchner Nockherberg die Mama Bavaria gegeben, und sie ist dabei längst selbst zum Denkmal geworden. Aber nicht wie die eherne, starr über der Theresienwiese thronende Symbolgestalt für das weltliche Bayern, sondern als quicklebendige, wortgewaltige und aufmüpfige Repräsentantin des weißblauen Freistaats mit all seinen liebenswerten und dumpfbackigen Seiten: mit seinem aufgeblasenen Mia-san-mia-Gehabe, aber auch mit seiner Schlitzohrigkeit, seiner bodenständigen Musikalität und seinem mitunter derben, doppelbödigen Humor.

Was den Letzteren betrifft, hat es Kinseher, aufgewachsen in Geiselhöring, im niederbayerischen O-Ton längst zur Meisterschaft gebracht, davon konnte sich am Donnerstag das Publikum im restlos ausverkauften Tölzer Kurhaus überzeugen, wo sie mit ihrem jüngsten Programm "Mamma Mia Bavaria" gastierte - an ihrer Paraderolle kommt sie halt nicht vorbei. "Ich bin doch eure Mama", beteuert sie mit treuherzigem Augenaufschlag, "ich kann euch doch nicht einfach im Stich lassen." Bayern, stellt sie fest, ist nun einmal ein Teil der Welt, "und die Menschheit braucht starke Mütter". Ihr Publikum fühlt sich von ihr dementsprechend gut bayerisch betreut, vor allem aber glänzend unterhalten. Ihr hinterhältig-charmantes Lächeln, ihre frivol-bedeutungsvoll gesetzten Sprechpausen, ihre geschickt verabreichten Seitenhiebe auf Bayerns Würdenträger - das alles wäre schon weit mehr als nur kabarettistische Kleinkunst. Luise Kinseher aber hat auch ganz andere Qualitäten zu bieten: als Volksschauspielerin, ja als Volkssängerin, die mit ausgebildeter Stimme die zum Mitsingen animierende bayerische Volkshymne zu schmettern weiß: "Schau her, da liegt a toter Fisch im Wasser ..."

Sogar als begabte Jodlerin gibt sie sich zu erkennen und als Chi-Gong-Meisterin, die im chinesischen Singsang bekanntes Liedgut mit leicht angedeuteter Schuhplattler-Gestik zum Besten gibt: "Ja , mia san mit'n Ladl do ..." Das ist ziemlich albern und hart am Rand der Kalauerei, aber es kommt an, weil sie halt die Luise Kinseher ist, und immer nur feinsinnig und hintergründig will sie ja sowieso nicht sein. Amüsant sinnfrei ist ihr Auftritt als angeschickerte Matrone im Bademantel, die allerlei Wesentliches und Unwesentliches dahinsäuselt und in verwaschener Rhetorik darüber sinniert, warum es überall auf der Welt Rührei zum Frühstück gibt. Die Antwort ist, wie alle großen Erkenntnisse der Menschheitsgeschichte, verblüffend einfach: Es gibt zu viele Hühner. Mit schwerer Schlagseite vermag sie sogar linguistisch Bedeutsames zu vermitteln: Sie weist schlüssig nach, dass in den Satz: "A Weiberer hockt mit seinem Flitscherl auf'm Kanapee" drei Weltsprachen Eingang gefunden haben: Deutsch, Bairisch und Französisch. Das verbindet die Menschen, so wird man schnell zum überzeugten Europäer.

Auch an politischen Themen fehlt es ihr nicht im Nachwahl-Bayern mit seiner neuen Polit-Prominenz, die willkommene Angriffsflächen zuhauf bietet. Idealer Kandidat ist Hubert Aiwanger seinem markant niederbayerischen A, der beim Söder seine Ministerien bestellt hat wie Weißwürste - "drei Stück". Selbst vor den glorreichen Wittelsbachern, denen es an wirklich großen Frauengestalten gefehlt habe, macht Kinseher nicht halt - allenfalls ließe sie da noch Ludwig II. gelten. "Er war aber auch deshalb ein respektabler König, weil er beide Ufer kannte." So geht es denn querbeet dahin, im angeregten Dialog mit den Gästen in den ersten Reihen: einem Post-Amtmann aus der Jachenau beispielsweise und einer Wuppertalerin, die für ihre höchst unbayerische Herkunft einen ganzen Abend lang immer wieder büßen muss. Die bedauernswerte Dame hat es aber mit Fassung getragen. Dass das begeisterte Publikum die Kinseherin nicht ohne Zugabe aus dem Kursaal entließ, muss eigentlich nicht besonders erwähnt werden.

© SZ vom 24.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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