Ickinger Straßenumbenennung:Kein Beschluss in der Causa Wenz

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Historikerin Marita Krauss (Foto: Franz-Xaver Fuchs)

Historiker empfehlen offenen Umgang mit NS-Geschichte. Gemeinderat tagt Montag erneut

Von Claudia Koestler, Icking

"Eines dürfen wir nicht machen: Den Satz 'wir haben es nicht gewusst' heute weiterführen als 'wir wollen es nicht wissen'." Diesen Appell hat der Pöckinger Historiker Erich Kasberger am Donnerstag an den Ickinger Gemeinderat gerichtet. Doch eine Entscheidung, ob der Wenzberg, der nach dem Nationalsozialisten Paul Wenz benannt ist, neu benannt, der Name Wenz per Schild erklärt werden oder ob alles bleiben soll, wie es ist, fiel nicht.

Die Isartalkommune hatte in der Causa Wenzberg für Donnerstag eine Sondersitzung einberufen und zwei namhafte Historiker eingeladen: Kasberger und seine Frau, die Geschichtsprofessorin Marita Krauss, zeigten am Beispiel Pöcking auf, wie eine NS-Ortsgeschichte aufgearbeitet werden kann.

Im Ickinger Fall des Wenzbergs gaben sie eine klare Empfehlung: Die Straßenschilder sollten aus ihrer Sicht mit Informationstafeln versehen werden, auf welchen der Name und die Zusammenhänge erläutert und eingeordnet werden. Für diesen Weg hatte sich Pöcking mit der dortigen Hindenburgstraße entschieden. Der Gemeinderat hatte 2014 beschlossen, den Namen als Teil der Geschichte zu belassen, um mahnend auf die Rolle Paul von Hindenburgs im Ersten Weltkrieg und zur Etablierung der NS-Herrschaft hinzuweisen. Eine Lösung, mit der sich Pöckings Anwohner und Räte anfreunden konnten, "eine Art salomonischer Mittelweg", beschrieb Krauss. "Damit erreicht man, dass das Problem sichtbar bleibt und nicht verschwindet durch Umbenennung", ergänzte Kasberger.

Für einen Beschluss zum künftigen Umgang mit dem Ickinger Wenzberg lägen aus Sicht der beiden Historiker ausreichend Fakten vor, insbesondere mit der umfangreichen Dokumentation über Paul Wenz von Claudia Roederstein (UBI) und Gemeindearchivar Peter Schweiger (PWG). Matthias Ertl (PWG) erklärte jedoch, dass zwar Fakten auf dem Tisch lägen, er sie aber "nicht einordnen" könne. Paul Wenz sei, so ergebe sich aus der Dokumentation, Profiteur des NS-Regimes gewesen, ein Nationalsozialist, sagte Krauss. Doch sie sah nicht, dass in dessen Wirken "Mord und Totschlag eine Rolle spielten". Für Christian Mielich (SPD/Grüne) gab es trotzdem noch viele Fragen zur Rolle und Biografie von Wenz, die es zu klären gelte, bevor eine Entscheidung fallen könne: "Für mich war Wenz auch ganz schön Täter."

Ohne Beschluss diente der Abend folglich rein der Information. Krauss und Kasberger erläuterten den Ickingern ihre Herangehensweise an die Aufarbeitung der Geschichte Pöckings von den Dreißiger- bis zu den Fünfzigerjahren. "Es ging überhaupt nicht darum, mit dem Finger zu zeigen und zu sagen, schaut, der war böse", betonte Kasberger. "Wir hatten keinen Impuls, aus der Aufklärung eine Polarisierung der Gemeinde zu machen." Deshalb sei die Akzeptanz in der Bevölkerung groß gewesen. Vielmehr gelte es zu ergründen, "wie sich eine Dorfgesellschaft veränderte, welche Spielräume es gab, welche Möglichkeiten und wie sie genutzt wurden", betonte Krauss. So könne man heute viel daraus lernen. "Draufschauen ja, verurteilen nein", sei ihnen wichtig gewesen: "Benennen wir die Dinge. Aber spielen wir uns nicht zu Richtern auf, sondern reden wir drüber."

Das alles wollten die Ickinger Gemeinderäte zunächst sacken lassen, ehe sie das Thema Wenz am kommenden Montag erneut besprechen. Die Sitzung beginnt um 19.30 Uhr.

© SZ vom 25.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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