Icking:Verzaubernde Miniaturen

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Sibylla Rubens kann stimmlich aus dem Vollen schöpfen. (Foto: Wolfsbauer)

Sibylla Rubens singt in Icking selten gehörte Lieder

Von Sabine Näher, Icking

Es gibt Festivals, die sich ausschließlich dem Lied und der Kammermusik widmen, erfreulicherweise zunehmend auch in der Verbindung beider Gattungen, wie sie in den Salons des 18. und 19. Jahrhunderts üblich war. Wie schön, dass der Ickinger Konzertzyklus ein solches Konzert heuer in den Mittelpunkt seiner Reihe rückt. Schade indes, dass die Auferstehungskirche am frühen Sonntagabend nur zu etwa zwei Dritteln gefüllt ist, bieten Sibylla Rubens und das junge Pescatori-Trio doch ein außergewöhnliches Programm, das man in hiesigen Gefilden so bald nicht wieder wird erleben können: Lieder von Haydn und Beethoven, die für Gesang und Klaviertrio geschrieben sind, eine sehr reizvolle und heutzutage kaum je zu hörende Kombination.

Den Einstieg übernimmt das Trio (Benedikt Wiedmann, Violine, Benedikt Don Strohmeier, Violoncello, Stephan Zilias, Klavier) noch ohne Sängerin: Haydns Klaviertrio Es-Dur wird nuanciert ausgestaltet und entfaltet atmosphärische Dichte. Zu Beethovens "Schottischen und Walisischen Liedern" tritt Sibylla Rubens hinzu und verzaubert mit silbrig-schimmernder Stimme, die sich völlig in den Instrumentalklang einbettet. In den sieben Liedern schreiten die Interpreten den ganzen Gefühlskosmos ab: von wohliger Melancholie über ausgelassene Freude und wehmütige Erinnerung bis zum exotischen Reiz des "Zigeunerkinds".

Nach der Pause beweisen einige der Lieder Haydns für Sopran und Klavier, dass die hohe Kunst des Liedgesangs nicht erst bei Schubert beginnt: Ein so die Tiefen der Empfindung auslotendes Lied wie "The Wanderer" braucht keine Vergleiche zu scheuen. Sibylla Rubens kann aus dem Vollen schöpfen: Ihr stehen alle stimmlichen Mittel scheinbar mühelos zur Verfügung. Vom verführerischen Locken der Meerjungfrau über die charmant-naive Klage der Schäferin und die gespenstische Fahlheit des nächtlichen Wanderers bis hin zur übermütigen Ausgelassenheit des Seemannslieds gelingt ihr alles.

Nach Frank Martins 1925 entstandenem "Trio über irische Volkslieder", einem hochartifiziellen Stück, das der Volksmusik lediglich einen spezifischen Ausdruckscharakter abgelauscht hat, beenden Haydns "12 Schottische Volkslieder" den Abend. Kleine Kostbarkeiten, die wie aus dem Nichts kommen, rasch vorüberhuschen und dabei höchsten Ausdruck entfalten. Flüchtige Miniaturen, die das Publikum verzaubern.

© SZ vom 10.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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