Theatersommer:Schlag nach bei Schiller

Lesezeit: 2 min

Isabel Schupp (re.) und Maria Hafner gaben sprechend und singend neue Einblicke in alte Balladen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Ein vergnüglich-lehrreicher Balladenabend unterm Apfelbaum

Von Felicitas Amler, Icking

Berühmte Balladen - wer erinnerte sich da nicht an die Schulzeit: "Der Zauberlehrling" und "Der Handschuh", "Die Bürgschaft" und "Der Erlkönig". Weh dem, der sie seinerzeit auswendig lernen musste und so gar nicht verstand, wozu das nun wieder gut sein sollte. Leicht war da fürs ganze Leben die Lust auf Balladen verdorben. Und hängen geblieben waren doch nur die Verballhornungen: "Was wolltest du mit dem Dolche, sprich? - "Büchsen öffnen, oh Wüterich" . . . Ein Besuch bei der "Gesellschaft unterm Apfelbaum" an der Pfaffenleite in Irschenhausen könnte helfen. Die Schauspielerin Isabel Schupp erschließt dem Zuhörer Balladen ganz neu. Mal sehr vergnüglich, mal finster-dramatisch, mal unverhofft tief berührend.

Unter dem Titel "Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn" präsentierten Isabel Schupp und Akkordeon-Spielerin Maria Hafner am Donnerstagabend in der wild-romantischen Atmosphäre des Gartens an der Pfaffenleite 16 eine abwechslungsreiche Mischung aus Balladen und meist eher heiteren oder ironischen Liedern. Schupp überschrieb die einzelnen Kapitel mit "Hinterlist und Untreue", "Edelmut und Treue", "Weisheit und Güte": Schiller, Goethe, G.A. Bürger, Heine, Fontane und schließlich auch Brecht, dazwischen ein wenig Heinz Erhard und Volkstümliches wie "Der Wildschütz Jennerwein". Die Profi-Sprecherin entfaltete dramaturgisch geübt ihr darstellerisches Können, setzte Gestik und Mimik mal dezent und mal nachdrücklich ein, ließ die Stimme flüstern oder donnern. Und als kennte man die Geschichte von Hero und Leander nicht, griff das tragische Ende plötzlich doch stark ans Herz. Oder man erkannte bei Schillers "Handschuh", was sich dem Schüler seinerzeit gar nicht erschlossen hatte: welch kaltherziges Ungeheuer dieses Fräulein Kunigunde ist, das den Ritter drängt, seine Liebe dadurch zu beweisen, dass er zwischen Löwe, Tiger und Leoparden sein Leben riskiert. Welch Vergnügen, wenn er ihr am Ende - von Isabel Schupp in Szene gesetzt - den Handschuh ins Gesicht wirft!

Nach der Pause gab es eine kleine Überraschung: Das auf dem Programmzettel angekündigte Goethe-Gedicht "Das Tagebuch" wurde von einem vorgetragen, der seit einiger Zeit Sprechunterricht bei Schupp nimmt: SZ-Kritiker Reinhard Szyszka hatte nicht nur die gesamten 24 sieben- bis neunzeiligen Strophen des gewitzt frivolen Textes auswendig gelernt, er deklamierte sie auch derartig leidenschaftlich und emphatisch, dass Schupp in nur noch mit den Worten abmoderieren konnte: "Ich bin stolz auf ihn!"

Ein rundum schöner Abend, lauschig, mit einigen Erkenntnissen und mancherlei Überraschungen: Ob man den Balladen-Wälzer vielleicht doch mal wieder aus dem Bücherregal holen sollte?

© SZ vom 08.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: