Icking:Kampf um die letzte Wiese

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Die letzte freie Wiese in der Ickinger Ortsmitte soll bebaut werden. Nach hitziger Debatte lehnt der Gemeinderat den Antrag der Ickinger Initiative ab, den bereits gefassten Beschluss wieder aufzuheben

Von Claudia Koestler, Icking

"Wenn wir das zulassen, machen wir ein Fass auf, mit schrecklichen Folgen, weil sich Icking in seinem Charakter vollständig verändern wird": Diese Befürchtung hegt Vigdis Nipperdey (Ickinger Initiative) im Hinblick auf den Ratsbeschluss der vergangenen Sitzung, der Umwandlung der letzten unbebauten Wiese in der Ortsmitte zu Bauland grundsätzlich positiv gegenüber zu stehen. Doch die Mehrheit der Ickinger Gemeinderäte hält an dem Beschluss fest: Mit sechs zu zehn Stimmen fand sich nun am Montag im Rat keine Mehrheit für den Antrag der Ickinger Initiative, den Beschluss wieder aufzuheben. Auch die grundsätzliche Ablehnung von Bebauung auf dem Gelände scheiterte mit gleicher Stimmenzahl. Allerdings votierten mit Ausnahme von Georg Frech (CSU) alle für eine Klausurtagung über grundsätzliche Planungsfragen.

Vor diesen Entscheidungen lag eine knapp einstündige, hitzig geführte Debatte, in deren Verlauf die zahlreichen und teils hörbar aufgebrachten Bürger auch immer wieder zur Ordnung gerufen werden mussten. Wie die Bürger, so spaltet die Frage nach der Zukunft der Wiese auch die Räte. Hintergrund der Kontroverse ist ein Antrag des Grundstückseigentümers, eines örtlichen Landwirts, der den Bebauungsplan für das Gebiet "Egartsteig Nord" so erweitert haben möchte, dass vom insgesamt 9488 Quadratmeter großen Grundstück 6333 Quadratmeter als Bauland ausgewiesen werden. Den Rest der Fläche würde er der Gemeinde zu günstigen Konditionen übereignen.

Noch gibt sie zumindest partiell den Blick frei auf die Alpenkette und das Isartal: Die bislang landwirtschaftlich genutzte Wiese am Egartsteig. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Ickinger Initiative war indes " unbefriedigt über die Entscheidung", dem Vorhaben positiv gegenüber zu stehen. Zum einen, weil es " in einer Art Schnellverfahren abgehandelt wurde", wie Nipperdey sagte. Zum anderen, weil sie sich um den Charakter Ickings sorge: "Wir liegen mitten im Einzugsgebiet von München, wie ein grüner Finger ragt das Isartal da hinein, das ist eine Besonderheit". Seit Jahrzehnten habe sich der Rat stets dafür ausgesprochen, dass Icking seinen ländlichen Charakter beibehalten solle. Als der Flächennutzungsplan nach 13-jähriger Arbeit 1997 fertig war, "haben wir so manche Fläche wieder als landwirtschaftlichen Grund zurückgestuft, und es gab immer wieder Anfragen, aber es war bisher Konsens im Rat, dass man daran nicht rüttelt", sagte Nipperdey. Die Ortsplanung zähle zu den wenigen Punkte, in denen eine Gemeinde noch autonom sei. "Ich sehe es als Aufgabe, so viel wie möglich vom Charakter, was die Gemeinde ausmacht, zu erhalten, und ich sehen den derzeitigen Rat konträr dazu."

Doch andere sahen dahin kein Problem: "Die Leute sollen dankbar sein, dass sie so lange eine Wiese hatten - und jene, die nun schimpfen, sind schließlich diejenigen, die einst eine Wiese zubetoniert haben", sagte etwa Frech. Und auch Bürgermeisterin Menrad (UBI) fand es " nicht mehr so schade, wenn nun auch noch der westliche Teil bebaut würde", weil schließlich im östlichen Rand bereits Häuser stünden.

Claudia Roederstein (UBI) hingegen betonte die Möglichkeit, mit der Wiese etwas zu entwickeln und so den Bürgern etwas zurückzugeben, etwa im sozialen Bereich. Deshalb wollte sie den Diskussionsprozess "dahin gehend anstoßen, ob dort nicht etwas in Richtung Betreutes Wohnen planbar wäre." Hätte die Gemeinde aber sofort alles abgelehnt, "hätten wir fahrlässig gehandelt." Verena Reithmann (UBI) sah es gerade als Ausdruck der Planungsautonomie, "Optionen zu überlegen und nicht sich von vorneherein einer Option zu verschließen." Otto Güllich (Ickinger Initiative) aber widersprach: "Sie nehmen sich mit dem Beschluss mindestens eine Option, nämlich den Status quo zu erhalten." Er befürchtete, dass mit der Aufweichung des Flächennutzungsplanes ein Präzedenzfall geschaffen werde: "Hier soll eine private Wertschöpfung stattfinden."

Vigdis Nipperdey (Ickinger Initiative) verweist auf den Flächennutzungsplan und die Gemeindeklausur zu Ortsentwicklung von 2011. (Foto: Manfred Neubauer)

Nipperdey verwahrte sich ihrerseits, dass der Eindruck erweckt werden solle, der Rat erwäge ein soziales Projekt auf der Wiese: "Das ist eine nachträgliche Schönfärberei der Argumente". Für diese "Despektierlichkeit", wie Roederstein klagte, entschuldigte sie sich allerdings. Trotzdem betonte Nipperdey, die Diskussion um Betreutes Wohnen sei "ein alter Hut und bislang immer am mangelnden Interesse gescheitert". Ihr Plädoyer: Die Wiese unangetastet lassen und damit den Antragsteller behandeln wie jeden anderen.

Auch Lisa Häberlein (SPD) betonte, dass dies ein ortsbildprägendes Grundstück sei: "Man sieht die Berge, die Freiheit, das ist ein Teil Ickings." Das sei heute ein Wert, und den gelte es, mit in die Waagschale zu werfen. Häberlein plädierte deshalb dafür, vertragliche Möglichkeiten auszuschöpfen oder: "Selbst ankaufen, weil wir es dann in der Hand haben, was passiert." Doch gegen die Stimmen von PWG, CSU und UBI kamen die Ickinger Initiative, SPD und Grüne nicht durch. "Nur zur Klarstellung, das heißt nicht, dass die Wiese sofort bebaut wird", schloss Menrad.

© SZ vom 11.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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