Icking:Irschenhauser Internationale

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Hinreißender Lena-Christ-Abend mit Beate Himmelstoß und den "Garchinger Pfeifern", bei dem das Publikum stellenweise mitsingt

Von Felicitas Amler, Icking

Das Hollerhaus in Irschenhausen hat ja schon manches mitgemacht: Ausstellungen gibt es dort häufig zu sehen, Lesungen und Musik sind immer wieder zu hören, Ottfried Fischer und Ruth Drexel sind jahrelang in dem Anwesen der Familie Schneider-Stöckl als "Bulle von Tölz" und Mama Resi ein- und ausgegangen. Aber jetzt das: Laut und vernehmlich dringt aus dem voll besetzten Veranstaltungsraum im Erdgeschoss die "Internationale". "Völker hört die Signale, auf zum letzten Gefecht, die Internationale erkämpft das Menschenrecht", so tönt es aus vielen Kehlen. Und eine eher traditionell anmutende Musikgruppe spielt dazu auf Schwegelpfeifen, Geigen und Kontrabass.

Beate Himmelstoß. (Foto: Neubauer)

Die nur auf den ersten Blick bizarr wirkende Szene ist der großartigen Sprecherin Beate Himmelstoß und einem ebenso hinreißenden sechsköpfigen Ensemble der "Garchinger Pfeifer" zu verdanken. Mit ihrem Lena-Christ-Abend führen sie das Publikum in die Zeit vor dem und während des Ersten Weltkriegs. Die "Internationale" passt da ebenso gut wie der Radetzky-Marsch, der neben anderen Märschen und Tänzen erklingt. Die "Garchinger" mit ihren hölzernen, aufs Mittelalter zurückgehenden Pfeifen, sind bravourös und köstlich unterhaltsam. Die Entdeckung des Abends aber ist Beate Himmelstoß als schauspielerisch versierte Bairisch-Sprecherin. Sie liest Lena Christ nicht, sie mimt alte und junge Gestalten, Männer und Frauen, solche, die gschert daherreden, und solche, die bemüht gehoben sprechen. Ihr Bairisch ist in seiner Vielfalt phänomenal - und macht eine enorme Lust, Lena Christ selbst zu lesen. Dies freilich auch dank der Auswahl der Texte, die von der Kriegsbegeisterung und ihren entsetzlich blutigen Folgen erzählen; vom alltäglichen Vorurteil, von sozialer Not und der Angst der Mütter um ihre Söhne an der Front. Oft genug zeugen sie auch von erheiternder Beobachtungsgabe der Autorin. Wie eine halbe Stadt das Gerücht verbreitet, das Trinkwasser sei "mit Zyankali und Cholera" vergiftet, oder ein ganzes Viertel eine Nonne jagt, die wegen ihrer tiefen Stimme für einen Mann und darum prompt für einen Spion gehalten wird - diese Hysterie bringt Himmelstoß als derartig lachhaft dumm vors Ohr, dass es eine Freude ist. Bitte bald mehr davon!

© SZ vom 17.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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