Icking:Geothermie-Bohrung geht voran

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In Icking soll das größte Erdwärmekraftwerk Deutschlands entstehen - und Strom für 60 000 Haushalte liefern. Ob in der Tiefe genug Heißwasser vorhanden ist, muss sich aber noch zeigen

Von Claudia Koestler, Icking

In das Geplätscher von Regen mischt sich das Piepen rückwärts fahrender Arbeitsmobile, Rohre liegen wie überdimensionale Trinkhalme vor dem Bohrturm, graue Container bilden schmucklose Besprechungsräume am Rand: Baustellenbesuch auf der Ickinger Geothermieanlage, die, sollten die Pläne aufgehen, Deutschlands größte werden soll, was die Stromproduktion betrifft. Noch aber hält sich die Projektgesellschaft mit Superlativen zurück, nur so viel: Die Bohrung geht planmäßig voran. Davon hat sich am Freitag der CSU-Landtagskandidat Martin Bachhuber zusammen mit Vertretern des Ortsverbandes und des Arbeitskreises Umweltsicherung und Landesentwicklung überzeugt. Derzeit haben die Bohrmeißel eine Tiefe von etwa 2800 Metern, also mehr als die Hälfte, erreicht. Im November rechnet der Geschäftsführer der Projektgesellschaft Erdwärme Isar, Markus Wiendieck, mit dem Ergebnis, ob auch tatsächlich die nötigen Mengen an Heißwasser aus rund 4000 Metern Tiefe nach oben sprudeln. Damit sollen von 2020 an bis zu 60 000 Haushalte mit Strom versorgt und der Landkreis energieautark werden.

Ickings Bürgermeisterin Margit Menrad (UBI) nutzte den Baustellenbesuch zugleich für einen Appell an Bachhuber und "die große Politik": Man solle die Wärmegewinnung ähnlich fördern wie die regenerative Stromgewinnung. "Die Fernwärme wird eine der großen Herausforderungen für unseren Flächenlandkreis", gab Bachhuber zu. Der Geothermie werde oft der Vorwurf gemacht, sie sei ineffizient, sagte Wiendieck. Doch das sei eine Frage der Definition. "Physikalisch gesehen sind wir mit unserer Technologie sehr nah am theoretischen Maximum." Die monierte Ineffizienz liege an den großen Lüfteranlagen, die Abwärme erzeugten. Genau deshalb wäre es Menrad zufolge "optimal", nicht nur Strom zu produzieren, sondern die Restwärme für ein Fernwärmenetz zu nutzen. Die Isartalkommune komme als Abnehmer zwar nicht infrage. "Grob gesagt kostet ein Kilometer einer Wärmeleitung eine Million Euro. Wir haben etwa 42 Straßenkilometer, unser Haushalt ist so plus minus zehn Millionen Euro, so ein Fernwärmenetz sprengt also unsere Möglichkeiten", sagte Menrad. Wolfratshausen und Geretsried seien aber nicht weit und hätten eine dichtere Bebauung und Gewerbegebiete. Die von Menrad bereits kontaktierten Amtskollegen Klaus Heilinglechner (BV) und Michael Müller (CSU) hätten ihr erklärt, erst nach dem Bohrergebnis über diese Möglichkeit zu sprechen. Doch die Stadtwerke München rücken Wiendieck zufolge mit ihrer Infrastruktur mehr und mehr vor. "Ich kann mir deshalb gut vorstellen, dass in ein paar Jahrzehnten ein Münchner Wärmenetz hier raus geht", sagte er.

Noch aber stellt sich die Frage, ob in Icking bis November ausreichende Mengen Heißwasser gefunden werden. Mit einer Schnittdarstellung verdeutlichte der geologische Leiter Winfried Büchl den Bohrfortschritt. Bis zu etwa 3700 Meter soll es senkrecht nach unten gehen, ehe der Bohrpfad abzweigt in das Malmgestein, wo das etwa 150 Grad warme Thermalwasser vermutet wird. Die Bohrung erfolgt jedoch nicht in einem Stück, sondern in mehreren Sektionen. Dazu werde immer ein Abschnitt gebohrt, Metallrohre würden eingebracht und fest zementiert. Durch diese Rohre werde dann der nächste Abschnitt gebohrt. Die erste Sektion ging bis auf etwa 1100 Meter, nun befinde man sich in der zweiten Sektion in rund 2800 Metern Tiefe. Dort wurden noch am Freitag geophysikalische Vermessungen durchgeführt, ehe von Samstag an verrohrt wurde. In etwa einer Woche wird dann mit der Bohrung des dritten Abschnitts begonnen, an deren Ende es in die Ablenkung geht. Bis auf wenige Tage sei das Unterfangen im Zeitplan, sagte Wiendieck. Größere Überraschungen habe es bislang keine gegeben. Wären die Bohrmeißel tatsächlich in der Tiefe auf einen Schatz oder ein Mammut gestoßen, man hätte es "einfach durchbohrt und nicht bemerkt", scherzte Büchl.

Was die Sorgen der Anwohner angehe, seien bislang keine Schäden an Gebäuden gemeldet worden. Neben dem bestehenden seismischen Messpunkt will die Erdwärme Isar noch zwei weitere installieren. Mit dem Bebauungsplan sei eine "einvernehmliche Lösung" für viele Fragen gefunden worden, sagte Büchl Auch beim Bohrlärm seien bislang die Grenzwerte unterschritten worden.

© SZ vom 03.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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