Icking:Die bringt's

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Simone Solga: Kabarett mit Biss und Witz

Von Sabine Näher, Icking

Ein paar Sekunden kann das adrette, schwarze Rüschen-Blüschen in die Irre führen. Doch dann wird klar, hier steht eine absolut toughe Frau auf der Bühne, die weiß, was sie will, und die klare Ansagen macht. "Na hör'n Se mal: vier Sekunden Applaus? Meine Chefin macht's nicht unter acht Minuten! Alles Rücktrittskandidaten hier..." Simone Solga zückt ihr Smartphone und fotografiert Besucher in der ersten Reihe. "Das geht jetzt zur Merkel nach Berlin - und dann gleich zu Trump nach Amerika." Direkt aus Berlin komme sie selbst heute Abend nach Dorfen in der Gemeinde Icking mit einer wichtigen Botschaft der Kanzlerin, "doch dazu später mehr".

Simone Solga entzündet ein Feuerwerk; ihre geistreichen Pointen prasseln nur so ein auf die Zuhörer im voll besetzen Vereinsheim. Vom "sprechenden Penis Donald Trump" kommt sie umgehend zum "Brüsseler Flüchtling Martin Schulz", der nun in einem Auffanglager in NRW gelandet sei. "Ob der sich integrieren kann?" Dem Anwärter aufs Bundespräsidentenamt, Frank-Walter Steinmeier, bescheinigt sie den "Charme eines Aktendeckels"; Horst Seehofer legt sie in den Mund, Merkel sei schuld am Erstarken der AfD: "Wir hätten sie nie unverschleiert auftreten lassen dürfen!"

Solga ist die intellektuellste und die politischste unter den deutschen Kabarettistinnen. Die gut 70 Minuten bis zur Pause sind ausschließlich politischen Themen gewidmet. Diese kann die in Gera geborene und in Leipzig ausgebildete Schauspielerin treffsicher analysieren und messerscharf formulieren. Dabei schont sie niemanden, auch nicht das Publikum. Icking wird zum "Kaff" (Widerspruch aus dem Saal! "Ach so, Sie haben S-Bahn-Anschluss? Na dann..."), Gäste der ersten Reihe werden vermeintlich höflich befragt und dann mit einer unerwartet bösen Wendung außer Gefecht gesetzt.

Solga schwingt nicht den Hammer, sie teilt lieber mit dem Florett aus. Und damit auch Populistisches, Derbes oder Schlüpfriges zur Sprache kommen kann, spielt sie gleich noch ein paar weitere Figuren. So ihre Fahrerin, Sandra Schwarzmann aus Leipzig, die Solga gnadenlos sächseln lässt, oder die Schwiegermutter, die "Volkes Stimme" verkörpert.

Doch erst als sie nach der Pause zu den "weicheren" Themen kommt und eher Zwischenmenschliches aufs Korn nimmt, wird das Dorfener Publikum richtig warm. Den Siedepunkt erreicht die Stimmung, als Solga sich als hervorragende Sängerin präsentiert und einen erotischen Song ins Mikro haucht (jetzt passt das Rüschen-Blüschen!). Der Clou des Abends, die Offenbarung der Botschaft aus Berlin, verpufft hier in Dorfen aber relativ wirkungslos. Solga zitiert dazu zwei der berühmtesten Politikerstatements der jüngeren Zeitgeschichte: "Ich bin heute gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass Ihre Ausreise... (Pause) Nach meiner Kenntnis ist das sofort, unverzüglich..." Doch weder Genschers noch Schabowskis weltbewegende Worte lösen im Vereinshaus ein größeres Echo aus. So muss Solga nachschieben, Icking samt seinen Bewohnern werde umgesiedelt und am Persischen Golf neu aufgebaut. Der Witz zündet nicht so richtig. Das schafft erst das Zugabenlied an Walter in der ersten Reihe ("Du schaust mich schon die ganze Zeit so an, nicht wie ein Zuschauer, eher wie ein Mann..."). Und auch die letzte Äußerung, ehe Solga abtritt, scheint nicht bei allen anzukommen. Der erste Satz ihres neuen Programms laute: "Nicht alles in der BRD war schlecht!"

© SZ vom 26.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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