Hundertjährige Eschen sind weg:Wunde in der Landschaft

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Die Gemeinde Kochel hat am See zahlreiche alte Bäume fällen lassen. Die Anwohner sind empört über den "Umweltfrevel". Doch Experten bestätigen, dass die Hölzer am Eschentriebsterben erkrankt waren

Von Claudia Koestlerund Ingrid Hügenell, Kochel am See

Bürgermeister Thomas Holz (CSU) ist stinksauer. Seit die Gemeinde zahlreiche Eschen hat fällen lassen, war mehrfach von "Umweltfrevel" die Rede. Sogar das Bayerische Fernsehen kam nach Kochel und berichtete über die Fällungen. "Schon wegen meines Namens tut es mir um jeden Baum Leid, der gefällt werden muss", sagt Holz. Bei den Eschen sei es aber unumgänglich gewesen. Denn die Bäume seien am Eschentriebsterben erkrankt gewesen. Das hat Holz zufolge der Kochler Förster Max Leutenbauer bestätigt, der gemeindliche Waldreferent. Er habe alle Bäume begutachtet und für die Fällung plädiert. Aus Sicherheitsgründen, wie Holz erklärt. Denn bei Stürmen könne von einem kranken Baum leicht ein Ast abbrechen - eine große Gefahr für Menschen.

"Ein 50 Zentimeter starker Ast, der aus 30 Metern Höhe herabfällt, kann einen Menschen tödlich verletzen", erklärt Förster Robert Nörr vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Eine solche Höhe können Eschen leicht erreichen. Und in Kochel gibt es nicht selten auch im Winter starke Föhnstürme. Deshalb wurden nun Eschen an Badeplätzen, Wanderwegen und Straßen umgeschnitten. "Die Sicherheit von Menschen geht immer vor", betont Nörr.

Dass rechte Verständnis dafür bringt die Anwohnerin Johanna Richter nicht auf. "Ich bin stinksauer", sagt auch sie und spricht nicht nur für sich, sondern auch für weitere Bürger und Besucher. Denn die Fällungen, die sie "Umweltfrevel" nennt, hätten "eine tiefe Wunde in die Landschaft gerissen": Vor ihrer Haustüre, unweit des Ausflusses des Walchensee-Kraftwerks bei Altjoch am Kochelsee, wurden zahlreiche alte Bäume gefällt. Die Eschen säumten dort den Uferbereich, nun ist nur eine Reihe von Stümpfen übrig. Richter ist durchaus klar, dass für einen gesunden Baumbestand auch mal ausgelichtet werden müsse. Doch bei der Fällaktion seien auch augenscheinlich gesunde Bäume der Säge zum Opfer gefallen. "Genau an unserem Grundstück stand zum Beispiel eine schöne und in unseren Augen auch gesunde Esche von über einem Meter Durchmesser, die vorher nicht angezeichnet war", sagt die Kochlerin. Deshalb habe sie keine Veranlassung gesehen, sich um diesen Baum Sorgen zu machen. Doch als die Arbeiter anrückten, fiel als erster Baum eben jene Esche. Die Schnittkanten wiesen Richter zufolge keinerlei Anzeichen einer Baumkrankheit auf. "Er war pumperlgesund, das bestätigten mir Holzexperten an Ort und Stelle", sagt Richter. Der Baum sei folglich statisch zu keiner Zeit ein Risiko für darunter gehende Personen gewesen.

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(Foto: Manfred Neubauer)

Die hundertjährigen Eschen am Kochelsee wurden gefällt. Sie waren von einem Pilz befallen, der die Triebe absterben lässt.

Der Pilz ließ die Äste kahl und morsch werden.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Förster Robert Nörr zeigt an jungen, schon schwer geschädigten Eschensprösslingen, wie sich der Befall auswirkt

Die Krankheit könne bei den Eschen zuweilen rasant voranschreiten, sagt Nörr. Er berichtet von einem Baum im Wolfratshauser Stadtwald, der zunächst noch voll belaubt gewesen sei, im nächsten Jahr abgestorbene Äste und im Jahr darauf schon eine so morsche Krone hatte, dass der beauftragte Baumfäll-Experte sich nicht mehr traute, für seine Arbeit hinauf zu klettern. Nörr zufolge hilft es auch nichts, die kranken Äste auszuschneiden, die Bäume stürben trotzdem.

"Ich will mich nicht mit Fachleuten auf eine Stufe stellen", sagt Anwohnerin Richter, "aber für einen Laien wirkt es so, als ob der Umschnitt dieses Baumes auf jeden Fall viel zu früh erfolgt ist, unter dem Vorwand, Bürger schützen zu wollen". Auch bei den weiteren Bäumen hätten die Schnittkanten keine krankhaften Veränderungen gezeigt. Früher habe die Baumreihe das landschaftliche Bild geprägt, jetzt sei dieses unharmonisch und traurig. Insbesondere, dass die Gemeinde bisher noch keine Nachpflanzungen angekündigt hat, ärgert die Anwohnerin.

Doch so großen Unmut die Baumfällungen auch ausgelöst haben, Friedel Krönauer, Kreisvorsitzender des Bund Naturschutz, pflichtet in diesem Falle der Aktion bei: "Die Eschen umzuschneiden war leider für die Gemeinde unausweichlich", sagt Krönauer, der selbst in Kochel lebt. Denn die Bäume seien tatsächlich von dem Pilz befallen gewesen, der das Eschentriebsterben auslöse. Diesen Befall könne man eben nicht an den Schnittkanten erkennen, sondern nur an den Trieben.

"Man sieht es nur in der Vegetationsphase, wenn einige Äste sogenannte Paniktriebe ausbilden, während andere kahl bleiben", erklärt er. Zwar sei in der Gemeinde Kochel in den vergangenen Jahren "viel Schindluder" getrieben worden mit Baumfällarbeiten. In diesem Falle aber habe die Gemeinde "tatsächlich nicht anders gekonnt". Er hofft genau wie Richter, dass die Gemeinde an dieser Stelle wie im weiteren Gemeindegebiet baldmöglichst Nachpflanzungen mit geeigneten Jungbäumen vornehmen wird. Das werde geplant, sagt Bürgermeister Holz, doch jetzt, im Winter, werde man eher keine Bäume pflanzen.

© SZ vom 21.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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