Hitzige Debatte:"Ein Stilmerkmal der Diktatur"

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Der Streit um die Gewerbegebietserweiterung am Lainbachwald dominiert die Benediktbeurer Bürgerversammlung

Von Klaus Schieder, Benediktbeuern

Zwischendurch platzte Cölestin Allgäuer doch kurz der Kragen. Gerade hatte Bürgermeister Hans Kiefersauer (CSU/parteilos) hervorgehoben, dass die Bürgerinitiative Lainbachwald sicher "nicht die absolute Mehrheit im Dorf" sei, auch wenn sie 500 Unterschriften für den Erhalt des Forstes und gegen ein Gewerbegebiet gesammelt habe. Da schrie der Gemeinderat (Freie Bürgerliste Miteinander) und BI-Sprecher in den Saal: "Das hat doch keiner gesagt - jetzt geht's aber los." Das vom Gemeinderat abgelehnte Bürgerbegehren beanspruchte am Dienstagabend viel Zeit in der Bürgerversammlung, zu der etwa 120 Zuhörer gekommen waren.

Kiefersauer verwahrte sich gegen den Verdacht, dass der Wald auf Betreiben der Gemeinde im September nachkartiert worden sei - wobei er seinen Schutzstatus als Biotop verlor. "Das ist schlichtweg falsch", sagte er. Zu diesem Zeitpunkt sammelte die Initiative noch Unterschriften für den Erhalt des Waldes. Und im Bürgerbegehren stand in den einleitenden Sätzen, dass es sich bei dem Forst um ein geschütztes Biotop handle. Weil dies aber inzwischen nicht mehr stimmte, lehnte der Gemeinderat das Begehren wegen einer falschen Tatsachenbehauptung ab. Das Gremium habe "nur über die Zulässigkeit zu bestimmen gehabt, nicht über die Sinnhaftigkeit", betonte der Bürgermeister. Auf die Frage, warum er die Bürgerinitiative denn nicht über den Verlust des Biotop-Status informiert habe, erklärte er: "Es glaubt doch kein Mensch, dass das Bürgerbegehren zurückgezogen worden wäre, wenn ich gesagt hätte, dass es kein Biotop mehr ist."

Nachdrücklich warb der Rathauschef nochmals für seinen Kompromiss-Vorschlag: Ein 40 Meter breiter Streifen des Waldes soll bleiben und "ein Mischwald mit Biotop-Charakter" werden. Gerade in einer Demokratie sei eine Entweder-oder-Haltung nicht angesagt, "das ist eher ein Stilmerkmal der Diktatur", sagte Kiefersauer. Dem hielt BI-Sprecherin Claudia Wenzl entgegen, dass das vom Bürgermeister oft geforderte Vertrauen schwierig aufzubringen sei, "wenn das Bürgerbegehren als diktatorisch bezeichnet wird". Man habe sich demokratisch engagiert und "nicht damit gerechnet, dass wir ausgetrickst werden", sagte Wenzl. Was die Nachkartierung anbelangt, habe Kiefersauser nach eigener Aussage den Antrag dafür gestellt. Er halte sich "nicht ganz an die Wahrheit". Den Gemeinderäten warf sie vor, sie hätten das Bürgerbegehren billigen können - "wenn sie gewollt hätten". Dem widersprach Bruno Bacher (Benediktbeurer Bürger). Man habe "eine rein rechtliche Entscheidung" zu fällen gehabt, sagte er.

Eine Reihe von schriftlichen Anfragen hatten Wenzl und Sabine Leid schon vor der Bürgerversammlung eingereicht. Sie drehten sich unter anderem um das Gewerbegebiet. Von den Betrieben, die dort angesiedelt sind, bekomme die Gemeinde gut 500 000 Gewerbesteuer pro Jahr, sagte Kiefersauer. Für die geplante Erweiterung habe man derzeit elf Bewerbungen - vom Heizungsbauer bis hin zum Dentallabor.

Ganz am Ende gab es doch so etwas wie eine Annäherung. Hans Schweiger von der BI ging auf das Angebot des Bürgermeisters ein, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen. Allerdings nur, wenn Kiefersauer zuvor einen Einblick in alle relevanten Unterlagen gebe. "Wenn wir miteinander reden, müssen wir das auf Augenhöhe machen", forderte Schweiger. Seine Wortmeldung bezeichnete Kiefersauer als "das wichtigste Statement, das heute rübergekommen ist".

© SZ vom 23.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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