Henning Venske:Ein gut gelaunter Pessimist

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Der Kabarettist präsentiert in Dorfen einen sarkastisch-pointenreichen Rundumschlag

Von Wolfgang Schäl, Icking

Pflegen Kabarettisten so etwas wie ein Vermächtnis? Wohl eher nicht, Altersweisheit ist ja nicht Sache des Satirikers. Was den 77-jährigen Henning Venske betrifft, so verfügt der zumindest über ein ausladendes Lebenswerk, über die Summe von mehr als fünf bewegten Jahrzehnten Bühnen-Erfahrung, die er in einer 400 Seiten umfassenden Autobiografie zusammengeschrieben hat. "Es war mir ein Vergnügen" heißt der Titel des kabarettistischen Querschnitts, den der knurrige Autor, Journalist, Schauspieler, Regisseur und Satiriker nun nach Lust und Laune weiterverwertet, mit dem er durch die Lande zieht und jetzt auch im bestens besuchten Dorfener Vereineheim auf die Bühne getreten ist.

Da ist einer, der ins Volle greifen und seine Texte nach Belieben aussuchen, variieren und aktualisieren kann, einer, der zuspitzt und plattmacht. "Willkommen im Ohrfeigenseminar", lautete denn auch seine unheilschwangere Begrüßung. Das werde bestimmt kein leichter Abend. So war es denn auch.

Venske, der sich als "gut gelaunter Pessimist" definiert, erscheint im seriösen grauen Anzug, eine drahtige, schnauzbärtige, professorale Gestalt mit modernem Lesepult, mit Leselampe und korrekter, schwarzer Manuskriptmappe. Er ist keiner, der schwitzt und rudert und Grimassen schneidet, kein Akteur für den Starkbieranstich, schon gar kein Comedian. Er ist ein Mann von unaufgeregt-dozierender Rhetorik, man wähnt sich eher in einer Archäologievorlesung denn auf einem Kabarettabend.

Diametral anders die Texte: Venske turnt akrobatisch zwischen Stilebenen herum, er ist ein Mann von bildreicher, geschliffener, komprimierter Sprache, der gern auch mal ins Derbe, Prollige greift. Er schreckt auch nicht zurück vor grobem Sarkasmus und fiesen Gemeinheiten. Da präsentiert sich ein pointenversessener, mitunter auch selbstverliebter Routinier, der immer hart am Rande des Vertretbaren agiert. Bei Altkanzler Helmut Kohl konstatiert er "Synapsenversülzung", beim Anblick der Grünen Claudia Roth verspürt er erklärtermaßen immer das Bedürfnis, "ihr ein Büschel Heu hinzuhalten". Und Oskar Lafontaine taugt allenfalls noch als Revolutionär im Altersheim, weil er mit den Knödeln unzufrieden ist.

Es geht aber nicht nur um Personen. Banken vergleicht Venske mit Drogenkartellen ("Schweigen und weitermachen"); von Bestrebungen, neue Spielregeln für Börsen zu schaffen, hält er wenig - es mache "keinen Sinn, Scheiße zu parfümieren". Das Fernsehen: "Kriminalkitsch, seifige Schnulzen, schleimige Zoten über adelige Stinkmorcheln." Die Inhalte der TV-Programme zerbröseln nach Venskes Worten immer mehr, "während das Medium unangetastet bleibt".

Besonders aufmerksam widmet sich Venske dem Phänomen des deutschen Stammtischs, der eigentlich dem Weltkulturerbe zugerechnet werden müsse: Der Stammtisch kreise in der Mitte der Gesellschaft um sich selber, die Mitte der Gesellschaft wiederum sei "Zentrum der politischen Korruption, während die Demokratie in der Mitte verreckt". Die mittlere Mitte sei das Mittelmaß, eine Aussage, die Venske mit dem Politiker Sigmar Gabriel in Verbindung setzt. Überhaupt die Politiker: "Grützbeutel", die nur ihr Recht wahrnehmen, sich zu blamieren. "Sie fordern uns zu Leistung auf, und wir bezahlen für ihre Inkompetenz."

Von Altersmilde zeugt das alles nicht, Venskes zweistündige, stakkatoartig vorgetragene Rundum-Attacke auf die Gesellschaft ist streckenweise schwer verdauliche Kost, die zum Glück durch gelegentliche Anflüge von Selbstironie genießbar wird. Denn auch den Kabarettisten selbst verschont Venske nicht ganz: Der sei "ein Wegelagerer, der darauf wartet, dass irgendeine Geistesgröße ein dampfendes Häufchen macht. Dann kommt der Satiriker und kehrt es zusammen."

Nun ja. Es war, wie angekündigt, kein leichter Abend, vielleicht sollte Venske die eingesammelten Häuflein künftig einfach nur in kleineren Portionen servieren. Gleichwohl: hochverdienter, freundlicher Beifall.

© SZ vom 14.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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