Handwerk im Landkreis:Weiche Formen in hartem Granit

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Verena Boiger ist Steinmetzmeisterin und fertigt im mütterlichen Betrieb in Bad Tölz Grabsteine, Arbeitsplatten und Skulpturen. Eine männliche Domäne sei der Beruf heute längst nicht mehr, sagt die 30-Jährige

Von Veronika Ellecosta, Bad Tölz

In Verena Boigers Büro plätschert ein Zimmerbrunnen, gegenüber stehen zwei Skulpturen. Ein Mops aus Granit schaut kontemplativ in den Raum, daneben umklammert ein Oktopus seinen Sockel. Beide Skulpturen hat Boiger mit ihren eigenen Händen geschaffen, sie sind Zäsuren im Leben der jungen Steinbildhauerin: Der Mops als Gesellenstück, der Oktopus als Meisterstück in der Münchner Meisterschule für Steinmetze. Mit letzterem und einem Abschluss als Jahresbeste hat die heute 30-Jährige im August vergangenen Jahres sogar den Staatspreis des Wirtschaftsministeriums erhalten.

Nun ist die Tölzerin aus der Landeshauptstadt zurückgekehrt. Seit beinahe einem Jahr arbeitet sie im mütterlichen Steinmetz-Betrieb Ostermünchner vor den Toren von Tölz. Ihrer Zeit war die Mutter eine der wenigen Frauen, die zum Steinmetz-Meister aufgestiegen sind. Mittlerweile hat sie den Chefposten im Betrieb inne, Tochter Verena steigt in ihre Fußstapfen. Frauen als Steimetze hätten es heutzutage längst nicht mehr so schwer wie früher, meint Verena. Nur die wenigsten Betriebe hätten Skepsis, Frauen auszubilden. In ihrer Ausbildung befanden sich Frauen zwar mit zwei zu zehn noch deutlich in der Minderheit, aber dank Kran und Gabelstapler erfordere die Arbeit mittlerweile weniger körperliche Kraft und könne ohne Schwierigkeiten von Frauen bewältigt werden. Außerdem sei eine Steinmetzin viel entschlossener, findet Verena. "Wenn eine Frau Steinmetzin werden will, hängt sie sich wirklich rein und weiß, was sie will." Ob es auch in ihrem Fall so war? Definitiv, einen praktischen, kreativen Beruf habe sie sich schon immer gewünscht.

Verena Boiger hat die Meisterschule für Steinmetze im vergangenen Jahr als Jahresbeste abgeschlossen. Nun arbeitet sie in Bad Tölz. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Bereits in der dritten Generation beschäftigt sich die Familie mit dem Handwerk rund um Skulpturen. Verena selbst hat es bei ihrer Mutter mitbekommen, aber nicht nur. "Ich bin als Kind immer im Schubkarren mitgefahren, wenn meine Mutter Kunden auf dem Friedhof für Grabsteine getroffen hat", sagt sie und lacht. Und ihr Großvater, erzählt sie, sei Holzbildhauer gewesen. In seiner Werkstatt habe sie ihm stundenlang beim Schnitzen zugeschaut. Vielleicht hat sie ihren Ausbildungsweg deshalb an der Holzbildhauer-Schule in München angefangen. Bis sie das Material Stein entdeckt hat. Das Kühle und Harte am Stein gefiel ihr so gut, dass sie nach Abschluss der Holzbildhauer- Lehre gleich noch eine zweite drangehängt hat- als Steinbildhauerin. Die Entscheidung war die richtige: Seit 2015, als sie sich den Wettbewerb "die Gute Form" mit einer Eulenskulptur gewann, darf sie sich Deutschlands beste Steinbildhauerin nennen.

Verena Boiger fertigt Arbeitsplatten und Grabsteine, stellt aber immer noch am liebsten Skulpturen her. Streng genommen ist sie auch Bildhauerin und nicht Steinmetzin, Meisterin für jenes Handwerk also, das sich eher mit Plastiken als mit Flächen aus Stein beschäftigt. Im Winter vergangenen Jahres hat sie ihre Detailverliebtheit als Steinbildhauerin zeigen können und für die Kapelle des Flughafens München eine moderne Krippe hergestellt. Die war aus Kalkstein, dem Material, das Verena ohnehin bevorzugt. Granit sei zwar ein schönes Hartgestein, sagt sie, aber nicht so gut zu bearbeiten.

Weichtier aus hartem Stein: Die Oktopus-Skulptur ist das Meisterstück, mit dem Boiger ihre Steinmetzausbildung abgeschlossen hat. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Derzeit kümmert sie sich aber großteils um den Grabmalbereich im Betrieb. "Ich möchte mich hier einfinden und erst mal Fuß fassen", erklärt sie. Ihr Alltag bewegt sich nun zwischen Büro und Werkstatt. Die Abwechslung von Schreibtischarbeit und körperlicher Ertüchtigung mag Boiger. Im Büro kann sie Skizzen und Zeichnungen für die Kunden anfertigen, in der Werkstatt bearbeitet sie den Steinblock mit dem Presslufthammer. Denn Hammer und Meißel seien Relikte aus alten Steinmetz-Zeiten, sagt Boiger. Sie könne sie zwar handhaben, zeitgemäß seien sie aber nicht. Der Steinbildhauer von heute arbeite überwiegend mit kleinen Presslufthämmern, erklärt sie. Wenn sie vom Hämmern eine Pause braucht, kann sie sich in ihr Büro zurückziehen und den Kundenkontakt pflegen. Mops und Oktopus schauen dann versteinert dabei zu.

© SZ vom 26.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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