Großer Andrang im Kreuzgang:Auf den Spuren des Meisters

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Im Kloster Benediktbeuern zeigen Künstler ihre Interpretationen der Werke Franz Marcs. Die Idee zu der Ausstellung hatte Professor Pater Leo Weber. Betrachtern will er die positive Grundeinstellung des Malers vermitteln

Von Sabine Näher, Benediktbeuern

Großer Andrang herrscht am Samstagnachmittag im Kreuzgang des Klosters Benediktbeuern. Das Interesse gilt zum einen der Gedenkausstellung für Franz Marc anlässlich seines 100. Todestags. Zum anderen geht es darum, einen Marc-Kenner und Förderer zeitgenössischer Künstler zu ehren: Pater Leo Weber, der als Professor für Kirchen- und Kunstgeschichte über Jahrzehnte in Benediktbeuern lehrte. Über die Klostermauern hinaus wirkte er insbesondere mit regelmäßigen Kunstausstellungen, die ihn in engen Kontakt mit zahlreichen Malern brachten. Diese zu bitten, sich mit dem Werk Franz Marcs zu beschäftigen und einen Marc nachzubilden, war seine Idee und sein Herzensanliegen. Man sieht ihm an, wie glücklich er darüber ist, dass der Wunsch realisiert werden konnte. Mit wachen Augen und reger Mimik, die sprachliche Artikulation ist ihm kaum mehr möglich, verfolgt er das Geschehen.

13 Künstler aus Benediktbeuern, Ried, Kochel am See, Königsdorf, Seeshaupt, Schongau, München, Vohburg, Hiltenfingen und Freiburg haben sich beteiligt und Marcsche Werke aus ihrer Sicht nachempfunden. Die berühmten Tiermotive, allen voran die wohl bekanntesten blauen Pferde, aber auch rote Rehe, schwarz-blaue Füchse, ein weißer Stier oder eine rosa Stute mit blauem und rotem Fohlen, haben die Maler inspiriert. Besonders in die Augen fällt schon wegen der imposanten Originalgröße von 1,4 mal 1,9 Metern "Die gelbe Kuh". Geschaffen hat sie Nelly Weissenberger, die in München und Malaga lebt. "Sich hinein zu denken in diese Zeit, in die besondere Farbsprache Marcs, nachzufühlen, was er gedacht haben mag, war eine spannende Herausforderung", erzählt Weissenberger. Ihr eigener Malstil sei zeitgenössisch-modern, doch die Marcsche Kunst noch einmal zum Leben zu erwecken, habe sie gereizt.

Erwin S. Pecho kopierte das Gemälde "Stallungen". (Foto: Harry Wolfsbauer)

Damit dürfte die Künstlerin auch für ihre Kollegen sprechen: Die Fülle der Bilder, die lebensprallen Farben, die Vielzahl der Motive sind sehr beeindruckend. Dass Marc, der in Ried bei Benediktbeuern gelebt hat, viele Inspirationen dem ländlichen und bäuerlichen Leben der Umgebung entnahm, wird in ihnen deutlich. "Skizzen aus dem Felde" zeigen Rebhühner, "Die Begattung der Rehe", "Landschaft mit Regenbogen" oder "Pflanzliches Leben im Werden". Ein "Träumendes Pferd", ein "Schlafendes Reh" oder das "Reh im Klostergarten" versetzen die farbenfroh gestalteten Tiere in verwirrend abstrakte Formengebilde - das Vertraute wirkt plötzlich geheimnisvoll. Exotische Motive finden sich weitaus seltener: "Der Wasserfall" mit einer Gruppe nackter Mädchen davor dürfte kaum dem ländlichen Umfeld entstammen, ebenso wenig "Der Tiger" oder "Der Mandrill".

Professor Maria-Anna Bäuml-Rossnagl aus München hat die Ausstellung organisiert und spricht die einführenden Worte bei der Vernissage. Sie verweist auf den zweiten Bezugspunkt: 1946 habe anlässlich eines Konzerts im Kloster die erste Ausstellung von Werken Marcs - der von den Nazis als entarteter Künstler gebrandmarkt worden war - nach dem Krieg stattgefunden. Ein Umstand, den Weber recherchiert und immer wieder betont habe. So habe Benediktbeuern den Anstoß zur Rehabilitierung des Malers gegeben.

Künstler Hans-Günther Pietschmann (re.) malte ein Porträt von Pater Leo Weber (li.), der die Idee zur Ausstellung hatte. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Bäuml-Rossnagl geht auch auf die Bluttat von München ein: Statt mit Angst und Hysterie zu reagieren müsse man "solche Situationen irgendwie positiv in den Griff bekommen". Und jungen Menschen eine ethische Grundhaltung vermitteln. Franz Marc habe sich eine positive Lebenshaltung noch im Krieg bewahrt. Aus dem Feld schrieb er an die Mutter: "In meinen ungemalten Bilder steckt mein ganzer Lebenswille."

Über die nur material-sinnliche Wahrnehmung der Bilder müsse man in die dahinter liegende Bedeutungsebene vordringen. Damit eine ethische Lebenseinstellung zu vermitteln sei immer auch Webers Ansatz gewesen. Von der Wertschätzung Webers durch die Künstler zeugen zwei Porträts, die ihm überreicht werden. Nelly Weissenberger hat den Kunstliebhaber dargestellt: poppige Farben, energetische Ausstrahlung. Einen anderen Weber zeichnet Hans-Günter Pietschmann: den feinsinnigen Gelehrten, dem der Geist aus den wachen Augen schaut. Die Ausstellung ist noch bis zum 30. August im Kreuzgang des Klosters zu sehen.

© SZ vom 25.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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