Gerichtsverhandlung:Erfundene Kunden

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Fotofachhändler sollen sich bei Cash-Back-Aktion bereichert haben

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Es hätte vermutlich monatelang gedauert, bis die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Betrugsvorwürfe gerichtlich aufgeklärt gewesen wären. Somit hätten die drei Angeklagten aus der Fotohandelsbranche vielfach von Berlin und Hessen nach Wolfratshausen anreisen müssen. Das schreckte das Trio offensichtlich ab, weswegen sie dem Vorschlag zustimmten, das Verfahren am Wolfratshauser Amtsgericht gegen Zahlung einer Geldauflage einzustellen.

Die Angeklagten - zwei Männer und eine Frau im Alter zwischen 39 und 65 - sollen bei einer Cash-Back-Aktion des Herstellers Canon im Jahr 2015 betrogen haben. Bei solchen Aktionen erstattet das Unternehmen gegen Vorlage der Rechnung einen Teil des Kaufpreises. Das Trio soll die Verkäufe von Fotokameras und Objektiven aber nur vorgegaukelt und sich so bereichert haben. Alle drei hatten Einspruch gegen Strafbefehle eingelegt, zwei weitere Mitangeklagte diese aber bereits akzeptiert.

Die Staatsanwältin brauchte am Mittwoch etwa 20 Minuten, um die Anklageschrift vorzulesen. So viele Einzelvorgänge betraf es. Die Rückerstattungsansprüche sollen sich auf etwas mehr als 12 500 Euro summiert haben. Canon soll davon 6600 Euro ausgezahlt, das übrige Geld aber bereits wegen Täuschungsverdacht zurückgehalten haben. Die Staatsanwaltschaft stützte die Anklage jedenfalls auf Rechnungen mit Namen von Käufern, die nie eine Canon-Kamera erworben hatten.

Bei einer Cash-Back-Aktion melden Kunden die Rechnung für das erworbene Produkt inklusive Seriennummer an den Hersteller. So wird ihnen ein Teil des Kaufpreises zurückerstattet. Damit betrogen zu haben, stritt der jetzt 65-jährige frühere Inhaber eines Fotofachhandels im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen ab. "Ich für meinen Teil bin der Meinung, völlig unschuldig zu sein", sagte der inzwischen in Hessen im Ruhestand lebende Mann.

Er berichtete, jahrzehntelang einen schwunghaften Großhandel mit Umsätzen von vielen Millionen Euro betrieben zu haben. Im großen Stil habe er Waren eingekauft und weiterverkauft. Der Vorwurf, dass er solche Millionen-Umsätze wegen ein paar Kameras aufs Spiel setze, sei völliger Unsinn. Die in der Anklage aufgeführten Produkte habe er alle an ein ostdeutsches Unternehmen verkauft. Die Daten müssten anderswo illegal abgegriffen worden sein.

Ein Teil des Geldes soll auf dem Konto eines Mannes gelandet sein, der dieses unter dem Stichwort "Cash Back" an ein ebenfalls angeklagtes Ehepaar weiter überwiesen haben soll. Das Paar betreibt in Berlin ebenfalls einen Fotoladen. Der vermeintliche Mittelsmann habe ihm unlängst gestanden, so der 39-jährige Fotofachhändler, an Musterrechnungen und Seriennummern seiner Firma gekommen zu sein. Das Geld auf dem Konto sei aber mitnichten ihr Gewinnanteil an der Betrugsmasche. Vielmehr sei es so, dass der Mann ein früherer Bekannter sei, mit dem sie 2014 einen gemeinsamen Silvesterurlaub verbracht hätten. Das Geld dafür sei fälschlicherweise auf das Konto seiner Frau überwiesen worden, so der 39-Jährige. Das sei als "Cash Back" dann zurückgebucht worden.

So die Kurzversion eines sehr verworrenen Tatkomplexes. Der Fotohändler aus Berlin und seine als Bürokraft beschäftigte Frau erklärten sich schließlich bereit, das Verfahren gegen Geldauflage einzustellen. Bis Ende April müssen damit 3600 Euro an die Hilfe für krebskranke Kinder in Ebersberg sowie 2700 Euro an den Verein Brücke in Wolfratshausen gezahlt werden. Der früher im Landkreis ansässige, dritte Angeklagte muss 1500 Euro an den Verein Arbeit für Jugend überweisen. "Das ist die sinnvollste Lösung für alle Seiten", sagte der Mann.

© SZ vom 03.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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