Geretsrieder Kulturherbst:Klassiker von Opa

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Volksmusik aus Slowenien in rasantem Tempo: Enkel Sašo Avsenik steht seinem Großvater musikalisch in nichts nach. (Foto: Hartmut Pöstges)

Sašo Avsenik begeistert die Zuhörer im Festzelt mit dem Erbe der Oberkrainer-Legende Slavko

Von Susanne Hauck, Geretsried

Hände fliegen über die Tasten des Akkordeons, die Saiten der Gitarre. In einem so aberwitzigen Tempo, dass das Auge den Bewegungen der Finger kaum zu folgen vermag. Und immer wieder beweisen die Musiker, dass es beim nächsten Lied noch temperamentvoller geht. Ein Konzert mit den Oberkrainern ist wie ein Parforceritt durch die schnellsten Polkas dieser Welt. Wer dazu tanzen müsste, sänke nach einer Nummer ohnmächtig zu Boden. Beim Heimatabend des Geretsrieder Kulturherbsts gibt Sašo Avsenik, Enkel des legendären Slavko, gleich den Ton vor: mit dem Welterfolg "Trompetenecho" von 1955, nicht nur 600 Mal gecovert, wie überall zu lesen, sondern vielen im Ohr als Titelmelodie der TV-Sendung "Musikantenstadl". Der Name Avsenik verpflichtet, die Erwartungen des Publikums sind groß. Sie werden ohne Wenn und Aber erfüllt.

Von Anfang an gibt es im vollen Parkett des Festivalzelts und von den zu etwa einem Drittel gefüllten Rängen Jubel ohne Ende. Die Oberkrainer-Musik funktioniert auch in der dritten Generation außerordentlich gut, das beweist der 27-jährige Sašo, der 2009 das Erbe seines Großvaters angetreten hat. Dem Ehepaar Kraatz aus Geretsried gefällt der Auftritt sehr. "Wir haben schon Urlaub in Slowenien gemacht und waren im Café der Avseniks", erzählen die beiden. Das Dörfchen Begunje ist die Heimat Slavko Avseniks, der von dort aus mit seinen Original Oberkrainern in den Fünfzigerjahren die Volksmusik in alle Welt brachte. In Begunje steht das Gasthaus des 2015 verstorbenen Musikers, wo heute noch viele Konzerte stattfinden.

Den typischen Oberkrainersound entfacht das Akkordeon, das Sašo (ausgesprochen: Sascho) Avsenik meisterhaft beherrscht. Trompete, Klarinette, Kontrabass, Bariton, Gitarre und ein Gesangsduo sorgen für die musikalische Begleitung. Immer wieder gesellt sich Vater Gregor mit seinen charakteristischen Gitarre-Interpretationen dazu, der das Musiker-Gen der Avseniks ebenso hat. Es gehört schon sehr viel dazu, so spielen zu können.

"Wer hat heute schon geküsst?", fragt Sašo und lässt die Scheinwerfer aufs Parkett richten. Einige der überwiegend älteren Zuhörer heben mutig den Finger, dann werden es immer mehr. Ihr verschämtes Kichern geht bald schon unter im gleichnamigen Musiktitel, einer schwungvollen Polka. Ab und zu darf's ein langsamerer Walzer zum Mitschunkeln sein. Zwischendurch betritt immer wieder Stimmungskanone "Hubi" die Bühne. Es gehört zum Programm, dass er anfangs das Publikum locker macht mit Kalauern, die von nackten Frauen auf weißen Tigern, Geretsrieder Blondinen, Kondomen und Treuepunkten handeln. Die Altherrenwitzchen nimmt ihm keiner übel. Das Zelt lacht mit, klatscht mit, singt mit und lässt sich von der Lebensfreude der Musik anstecken.

Ganz genauso seien die Auftritte von Slavko Avsenik gewesen, findet eine Königsdorferin, die ungenannt bleiben möchte. Sie hat Übervater Slavko als kleines Mädchen nicht nur live gesehen, sondern es war sogar ihr erstes Konzert, das sie Ende der Sechzigerjahre erleben durfte. "Die Oberkrainer kamen damals in die Wolfratshausen Turnhalle", erinnert sie sich.

In der Pause ist der Stand der Musiker dicht umlagert. "Sašo ist ein würdiger Nachfolger seines Großvaters, aber halt noch nicht so bekannt", findet Jochen Schinagl von der Südostdeutschen Landsmannschaft. "Aber er ist noch sehr jung", hält seine Begleitung dagegen, die gerade eine CD gekauft hat. Beide sind sich einig: "Es ist gut, wenn in Geretsried mal etwas los ist, da muss man schon hingehen."

"Es ist schön, ein Musikant zu sein", "Ich möcht' so gern nach Oberkrain", "Frag die Rosen", "Auf der Autobahn" - das Oberkrainer-Repertoire scheint unerschöpflich. Sein Großvater habe im Lauf seiner langen Karriere mehr als 1100 Lieder geschrieben und bis zum Schluss komponiert, sagt Sašo. "Wir spielen die Klassiker von Opa." Aber auch Vater Gregor Avsenik beweist, dass er gut komponieren kann, wie mit "Natascha" für seine Tochter, die wie jedes seiner Kinder ein eigenes Lied bekam.

Belohnt wird die große und ausdauernde Spielfreude der jungen Oberkrainer durch donnernden Applaus des Publikums, das von den schnellen Polkas besonders beeindruckt war.

© SZ vom 10.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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