Geretsrieder Geschichte:Das Erbe der Munitionswerke

Lesezeit: 2 min

Posthume Publikation: Harald Zelfel (li.) und Wolfgang Pintgen präsentieren das neueste Geretsrieder Heft, ein halbes Jahr nach dem Tod des Autors. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Arbeitkreis Historisches Geretsried stellt seine neueste Publikation vor. Autor Martin Walter ist im August gestorben

Von Wolfgang Schäl, Geretsried

Die Präsentation des letzten Werks, das er im Rahmen des Arbeitskreises Historisches Geretsried verfasst hat, war ihm selbst nicht mehr vergönnt: Martin Walter, Autor der jüngsten Publikation über die Geretsrieder Munitionswerke und rastlos engagierter Kenner der Materie, ist am 4. August 2018 gestorben. Mit ihm habe man "einen mitreißenden Mitarbeiter und Freund verloren", würdigte jetzt Vereinssprecher Wolfgang Pintgen im Saal des Seniorenheims Sankt Hedwig posthum die Leistungen Walters. Die Aufgabe, das jüngste der "Geretsrieder Hefte" mit seiner etwas kryptischen Systematik vorzustellen (Pintgen: "Es ist heute das fünfte Heft, das aber Nummer vier heißt") übernahm Harald Zelfel. Er hat die Forschungsergebnisse Walters grafisch aufbereitet und in Druckform gebracht. "Eigentlich müsste heute der Martin hier stehen", sagte Zelfel. Dessen Rat habe er bei der Fertigstellung des Heftes schmerzlich vermisst.

Unter dem Titel "Zwei Munitionsfabriken im Wolfratshauser Forst" beschäftigt sich die druckfrische, siebzigseitige Publikation mit den Themen Wasser, Abwasser und Energieproduktion, gewährt Einblicke in unterirdische Kanäle, überwucherte Absetzbecken und verwitterte Ruinenreste - Anlagen, die die Nationalsozialisten in den 1940er Jahren nach damals modernstem technischen Stand angelegt hatten. Vieles davon existiert heute nur noch auf Archivbildern, manches findet sich an schwer zugänglichen Stellen mitten im Wald, und die kannte der profunde Experte Martin Walter sehr genau. Seine Führungen stießen in der Geretsrieder Bevölkerung auf entsprechend riesiges Interesse.

Einige Zahlen, die Zelfel zitierte, belegen, dass den Planern der beiden Munitionswerke, der Dynamit AG (DAG) im Norden und der Deutschen Sprengchemie (DSC) im Süden, kein Aufwand zu groß war, um die ehrgeizigen Ziele der NS-Machthaber umzusetzen: So verfügten Walters Recherchen zufolge die beiden Fabriken auf einer Länge von 3,7 beziehungsweise vier Kilometern über 700 Gebäude, drei Kraftwerke, zwei Wasserwerke, 58 Kilometer Wasserrohre und 25 Kilometer Kanäle. Eine besonders wichtige Rolle kam dabei der Kanalisation zu, da in den Munitionswerken mit stark giftigen Stoffen, etwa der Pikrinsäure, gearbeitet wurde. Diese Chemikalie tendierte dazu, sich stark an Arbeitskleidern und Transportbehältern festzusetzen, die dementsprechend häufig gewaschen werden mussten und kontaminierte, schwer zu entsorgende Abwässer zurückließen. Zelfel verwies in diesem Kontext auf "die wunderbare Struktur" der Kanalisation und der Versorgungsleitungen, die nach dem Krieg weiterbenutzt werden konnten und es ermöglichten, Geretsried weit schneller aufzubauen, als dies ansonsten möglich gewesen wäre.

Es war eine Flut von Details, die der Referent in seinem Vortrag ausbreitete, manche Bilder, Planskizzen und technische Beschreibungen sind bereits im "Heft 2" erwähnt, das vor zwei Jahren erschienen ist. Auch Franz Rudolf, der als treibender Motor jener Ausgabe galt, starb noch vor der Fertigstellung. "Das Sammeln und Bewahren" sei Grundlage jeglichen Wirtschaftswachstums, betonte in seinem Grußwort Dritter Bürgermeister Gerhard Meinl, der als Vertreter der Stadt gekommen war. Dies gelte insbesondere für Geretsried, das sich auf ein Netz von Versorgungsleitungen habe stützen können. Das jetzt erschienene Heft unterstreiche einmal mehr "das Besondere an Geretsried". Diesen Gedanken betonte auch Pintgen: Das Motto der Stadt laute "einfach anders", und dieser Anspruch werde nicht zuletzt durch das Engagement des historischen Arbeitskreises mit Leben erfüllt.

© SZ vom 25.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: