Geretsried:Zu flach

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Zu selten gelang Thomas Mayer gescheite Gesellschaftskritik. Die gute Laune des Publikums schwand bei seinem Auftritt zusehends. (Foto: Hartmut Pöstges)

"Vogelmayer" enttäuscht in Gelting

Von Claudia Koestler, Geretsried

Vielleicht hätte man die vollmundige Beschreibung des Musik-Kabarettisten, Liedermachers und selbsternannten "Poesiepiraten" Thomas Mayer alias "Vogelmayer" vorher besser nicht gelesen. Auf ein "hochexplosives Programm" dürfe sich das Publikum freuen, "vogelwild politisch und gesellschaftskritisch, aber auch nachdenklich und unterhaltsam lustig, ohne unter die Gürtellinie zu gehen", heißt es auf der Webseite des Künstlers. Und es wurde versprochen, es käme "keine flache Comedy". Herrlich, all das tut schließlich Not in Zeiten der Krisen und Kalauer.

Umso deutlicher dann die Diskrepanz zwischen Erwartung und dem Auftritt am Donnerstag. Statt aus dem Füllhorn der Themen und Zeitgeistereien zu schöpfen, lief Vogelmayer über weite Strecke seiner eigenen Beschreibung hinterher, als er im Geltinger "Hinterhalt" mit seinem neuen Programm "Spiegelbilder" auftrat. Die Berühmtheit mancher Zeitgenossen hänge mit der Blödheit ihrer Bewunderer zusammen, zitierte er eingangs Heiner Geißler. Deshalb müsse er das Niveau des Publikums testen, mit einem Witz: "Gehen zwei auf Bahngleisen entlang. Sagt der eine, er habe Hunger, aber die Gleise seien hart. Sagt der andere: Warte, da hinten kommt eine Weiche." Das hatte etwas Programmatisches, denn Vogelmayers Kabarett war an diesem Abend tatsächlich vorwiegend in der Welt der Zoten, Kalauer und Blödeleien angesiedelt. Das ähnelte jenen Momenten, in denen der Bürokomiker Kollegen unterhält. Doch um den Sprung auf die Kabarettbühne zu schaffen, braucht es erhellenden Sinn und absurde Logik, verbale Treffer und keine verbalen Tiefschläge - kurz: mehr als so etwas: "Die letzten Worte eines Schweins: Ist doch Wurst, was aus mir wird". Vogelmayer hatte auch Geschichten auf Lager. Etwa die angebliche Begebenheit, als sich der ehemalige Münchner Oberbürgermeister Ude verirrte und von einem Forstwirt mit ins nächste Dorf genommen wurde - weil er "eh einen roten Lappen" am Ende seines Gefährts gebraucht hätte.

Lediglich in manchen Liedern blitzte sein eigener Anspruch durch, wenn sie neben dem Oberflächlichen und gänzlich Profanen eine andere und entdeckenswerte Ebene hatten: die der gescheiten Gesellschaftskritik. Da zählte er alle üblen Vorurteile säuberlich auf, um dann eine ironische Brechung hinzulegen und den Jedermann dahinter zu entlarven.

In der zweiten Hälfte strapazierte Vogelmayer die politische Korrektheit: "Mit meinen Witzen ist es wie mit den Flüchtlingsströmen - nicht jeder kommt an", sagte er. Das war selbst den Bestgelaunten im Publikum zu viel: Sie baten beim nächsten Witz "ned wieder sowas" zu sagen. Der Straubinger bemerkte die kippende Stimmung und stellte klar: Ihm sei jeder willkommen und hier zu leben sei ein Privileg, kein Recht. Deutlicher konnte es nicht mehr werden: Schuster, bleib bei deinen Leisten und Vogelmayer an der Gitarre.

© SZ vom 10.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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