Geretsried:"Wir vermissen Sie"

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Die Franz-Marc-Schule nimmt Abschied von Clemens Joppich.

Thekla Krausseneck

Rektor Clemens Joppich verlässt die Franz-Marc-Schule. "Die Schüler werde ich am meisten vermissen", sagt er. (Foto: Hartmut Pöstges)

Clemens Joppich unterbricht seine Abschiedsrede für eine Kunstpause. Ein Schüler sieht seinen Moment gekommen: "Wir vermissen Sie auf jeden Fall!", ruft er in die Stille. Joppich lächelt, freut sich. Als er in der Turnhalle der mit 100 Menschen gut gefüllten Franz-Marc-Schule vom Pult tritt und Schüler wie Lehrer gemeinsam die Schulhymne gesungen haben, schüttelt Joppich Hände, nimmt Wünsche für den Ruhestand entgegen. Da tritt Daniel Gärtner neben ihn, 17, froschgrüner Parka, schüchtern. Er gibt Joppich einen weißen Briefumschlag. "Ich war mal Schüler hier", sagt er. "Ich habe mir extra heute Urlaub genommen." Daniel hebt flüchtig die Hand, als wollte er sie Joppich reichen. Doch der wird schon wieder abgelenkt.

Es ist der letzte große Tag eines nun pensionierten Schulleiters, der nicht nur beim Kollegium, sondern auch bei den Schülern sichtlich beliebt war. Mit seinem Abschied geht an der Franz-Marc-Schule, dem sozialpädagogischen Förderzentrum in Geretsried, eine Ära zu Ende. Elf Jahre lang war Joppich Schulleiter des Förderzentrums, eine Zeit der Turbulenzen, in der sich die Franz-Marc-Schule ständig veränderte. Die Ganztagsschule, die Flexible Klasse zur Erziehungshilfe und die Berufseinstiegsbegleitung wurden eingeführt, vier Sozialpädagogen eingestellt, Computer angeschafft. "Du hast deine Spuren hinterlassen", sagt Konrektor August Kruis.

Joppich war 25, als er sein Grundschulstudium durch ein Aufbaustudium für Förderschulen ergänzte. Eine "besondere Liebe zu diesen Kindern, die unterstützungsbedürftig sind", habe ihn dazu motiviert. Er wollte helfen. Anfangs besuchten lernschwache Kinder die Sonderschulen, die mit dem Druck und dem Tempo an den Regelschulen nicht umgehen konnten. Heute seien es auch Kinder mit psychischen, teils psychiatrischen Problemen, sagt Joppich. Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom. Oder solche, die mit Stühlen um sich werfen. "Es ist schwierig geworden. Aber auch für die Kinder muss jemand da sein." Durch die Jahre seines Lehrerdaseins ging er stets mit einem klaren Ziel: Er wollte den Schülern zurück auf die Regelschule helfen. Das habe nicht immer geklappt. "Aber oft." Daniel Gärtner führte sein Weg nach dem Förderzentrum auf die Berufsschule in Bad Tölz in ein berufsvorbereitendes Jahr. Er will Koch werden. In Kürze beginnt er in einer Reha-Klinik ein Praktikum.

In seiner Rede zitiert Joppich Karl Valentin: Jedes Ding habe drei Seiten, eine negative, eine positive und eine komische. Die negativen Seiten, versichert Joppich, habe er bereits vergessen. Ein bisschen geflunkert ist das schon: Seine Gesundheit erinnert ihn daran. Ein Schulleiter habe zu funktionieren, fehlerfrei zu sein, sagt Joppich. Machte er einen Fehler, musste er ihn selber ausbaden. Zu Hause ist Joppich seit September - sein Arzt riet ihm dazu, hoher Blutdruck. "Ich kann den Akku nicht mehr auftanken", gesteht Joppich sich am Ende ein. Seinen Vorruhestand werde er zum Teil in den Bergen verbringen, vielleicht verreisen, die Isarwinkler Berge habe er schon alle durch. Außerdem werde er ein "bayerisches Kulturgut" weiterpflegen: das Schafkopfen. Seit 25 Jahren organisiert er die Turniere in der Kreisgruppe des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands. Und das werde sich vorerst auch nicht ändern.

© SZ vom 08.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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