Gewerbesteuer:Unwirksame Drohgebärden

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Die Geretsrieder Stadträte lassen sich von den ansässigen Industriebetrieben nicht einschüchtern. Die Mehrheit will am Dienstag trotzdem für die Erhöhung der Gewerbesteuer stimmen

Von Felicitas Amler, Geretsried

Der Geretsrieder Stadtrat wird an diesem Dienstag die Erhöhung des Gewerbesteuersatzes von 320 auf 380 Punkte beschließen. Dezidiert dagegen sind lediglich die Freien Wähler, die aber mit sieben von 30 Sitzen keine Mehrheit gegen CSU, SPD und Grüne stellen. Gegen die erste Anhebung seit 23 Jahren hat es massive Proteste der Industriegemeinschaft Geretsried (IGG) und einiger Unternehmen gegeben, von moderaten Argumenten bis hin zu Drohungen, Betriebe würden abwandern und Arbeitsplätze in enorm großer Zahl verloren gehen. Noch am Montagabend fanden Gespräche der IGG mit einzelnen Stadtratsfraktionen statt.

Bürgermeister Michael Müller (CSU) sagte am Montag, er sehe keinen Bedarf mehr für Gespräche, es sei auch mit der IGG in teils vertraulichen Unterredungen alles diskutiert worden. Seine Haltung sei klar: Die Stadt brauche die zusätzlichen Einnahmen aus der Gewerbesteuer - derzeit wird mit gut zwei Millionen Euro mehr pro Jahr gerechnet - dauerhaft. Daher komme für ihn auch keine Anhebung in Etappen in Frage, wie die Industriegemeinschaft sie zuletzt gefordert hatte. Müller hat immer argumentiert, es gehe um langfristige Investitionen, von Schulsanierungen über Flüchtlingsunterkünfte bis zur S-Bahn-Infrastruktur. Er verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff, die Stadt müsse sich "konsolidieren".

Diese Sicht teilt auch die SPD. Ihr Sprecher Hans Hopfner sagte am Montag: "Die Zeichen für eine Erhöhung sind ja schon länger erkennbar." Daher finde er die Reaktion der Industriegemeinschaft nach dem Beschluss im Haupt- und Finanzausschuss des Stadtrats Anfang des Monats "ein bissl spät".

Die SPD war in den Jahren vor der jüngsten Kommunalwahl 2014 mehrmals mit einer Forderung nach Gewerbesteuererhöhung gescheitert. Nach der Wahl habe seine Partei Gespräche mit der CSU, die seitdem den Bürgermeister stellt, auch über dieses Thema geführt, und schon da habe sich ein Meinungsumschwung abgezeichnet, berichtet Hopfner.

Wie viele andere Lokalpolitiker betont der SPD-Sprecher, es sei das gute Recht der Industriegemeinschaft, ihre Positionen zu vertreten; er kritisiert aber den teils heftigen Ton. Das tut auch Lorenz Weidinger (Freie Wähler). Er kündigt zwar für die Stadtratssitzung an: "Wir werden noch einmal alles versuchen, um die Erhöhung zu verhindern." Dennoch sagt er, ihm habe der Ton mancher Briefe, die Unternehmer an die Lokalpolitik geschrieben haben, nicht gefallen. Etwa zehn Prozent seien echte Drohbriefe mit dem Tenor "Dann gehen wir!" gewesen. Weidinger findet: "Drohgebärden sind einer Industrie, wie wir sie hier haben, nicht würdig."

Die Freien Wähler zeigen sich aber weiterhin überzeugt davon, dass die Stadt mindestens in den Haushaltsjahren 2016 und 2017 ohne Steueranhebung auskommen könnte. Weidinger sagt, die mit vier Millionen Euro im Etat angesetzte Asylbewerberunterkunft auf der Böhmwiese könne sich die Stadt mit null Zinsen vom Staat finanzieren lassen. Und mit den tatsächlichen Ausgaben für die Infrastruktur im Zusammenhang mit der S-Bahn werde es frühestens 2020 ernst. Deshalb sagt Weidinger: "2018 mit dem Ansparen anzufangen reicht."

Der Vorsitzende der IGG, Wolfgang Schumann, wollte sich am Montag nicht mehr zu dem Thema äußern. Auf die Frage, ob tatsächlich Unternehmen, die sich am Standort Geretsried etabliert haben, ausschließlich wegen einer Gewerbesteuererhöhung abwandern wollten, sagte er: "Die Auswirkungen liegen schon vor." Schumann erklärte diese Aussage aber nicht weiter, sondern verwies auf den Bürgermeister, der aus den Briefen der Unternehmen wisse, was gemeint sei.

Der schärfste und im Tonfall aggressivste Kritiker der Gewerbesteueranhebung ist IGG-Vorstandsmitglied Jochen Pelz. Er formulierte, die Politik habe der Wirtschaft "den Krieg erklärt". Zu Pelz' Auftritten wiederum sagte Bürgermeister Müller: "Wenn Herr Pelz schreit und auf den Tisch haut, ist das keine Gesprächsgrundlage."

© SZ vom 23.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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