Geretsried:Rechtsanwalt beschuldigt Ministerium im Fall Sieber der Schlamperei

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Insolvenzverwaltung Hingerl klagt gegen den Freistaat. Die Anklageschrift liegt vor, die Gläubigerversammlung soll darüber abstimmen.

Musste die Geretsrieder Großmetzgerei Sieber nach dem Fund gesundheitsgefährdender Listerien schließen, weil eine Warenprobe falsch zugeordnet wurde? Die Frage will der Insolvenzverwalter Josef Hingerl in einem Gerichtsverfahren gegen den Freistaat Bayern klären. Dass er eine Klage über zehn Millionen Euro Schadensersatz anstrebt, hatte Hingerl bereits angekündigt. Seit Donnerstag liegt die Anklageschrift vor, über welche die Gläubigerversammlung am 12. November abstimmen soll.

In der aktuellen Presseerklärung wirft Hingerl den Verantwortlichen Schlamperei vor. Es habe sich aus seiner Sicht herauskristallisiert, "dass das bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz am 27. Mai 2016 wahrscheinlich wegen einer falschen Zuordnung einer Lebensmittelprobe das Vorzeigeunternehmen Sieber in die Insolvenz schickte", schreibt Hingerl. Die gesundheitsgefährdenden Listerien seien nämlich nicht im Betrieb, sondern im Werksverkauf festgestellt worden. Dort gelten aber andere Grenzwerte.

Sieber ist inzwischen geschlossen, alle Mitarbeiter wurden entlassen. Bis zur Einstellung des Betriebs am 27. Mai 2016 habe es in den vergangenen zehn Jahren in der Metzgerei Sieber jedoch "nur eine einzige Probe eines nicht verkehrsfähigen Lebensmittels" gegeben, sagt Hingerl. Dabei habe es sich um ein Wammerl gehandelt, die Charge sei aus dem Verkehr genommen worden. Die Firma habe daraufhin - gemeinsam mit dem Landratsamt - Veränderungen im Verpackungsbereich vorgenommen. Damit ist der Fall aus Hingerls Sicht "vollständig abgearbeitet gewesen".

Eine "Taskforce" habe jedoch am 20. Mai Proben im Betrieb und im Werksverkauf genommen, dabei sei die falsche Zuordnung passiert. In Produkten, die den Herstellungsbetrieb noch nicht verlassen haben, dürfen laut Insolvenzverwalter keine Listerien festzustellen sein. Im Einzelhandel, und dazu zählt Hingerl zufolge auch der Werksverkauf, gelte indes ein Grenzwert von 100 kolonienbildenden Einheiten pro Gramm (kbE/g). Aus seiner Sicht hätten die Beamten eine Probe mit einem positiven Befund von kleiner 10 KbE/g missverständlich angekreuzt, nämlich von "Hersteller/Erzeuger" stammend statt aus dem "Einzelhandel", obwohl diese im Werksverkauf genommen worden sei. Das belegten weitere Vermerke zum Ursprung der Probe, nämlich "Verkaufsraum" und "Werksraum". Diese Probe hätte deshalb nicht zu einer Schließung führen dürfen, betont Hingerl. "Es gilt also festzustellen, wo die falsche Zuordnung produziert wurde", im bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit oder im Ministerium, schließt Hingerl. Dem Landratsamt attestiert der Rechtsanwalt hingegen, es habe seinen Auftrag "vorbildlich erfüllt".

Aus dem Verbraucherschutzministerium war bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme zu erhalten. Das Landratsamt erklärte, da die Schadensersatzklage nun laut Ankündigung vorbereitet werde, "wird im Verfahren geklärt werden, wie die Abläufe tatsächlich waren. Wir sind überzeugt, dass alle Schritte richtig und nach besten Wissen und Gewissen vorgenommen wurden".

© SZ vom 04.11.2016 / cjk/fam - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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