Geretsried:Nicht ganz so "Soziale Stadt"

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Kritik an Integrationsprojekten an Johannisplatz und Neuem Platz

Von Felicitas Amler, Geretsried

Für einige im Stadtrat war das ein Schock: Die beiden Projekte der Städtebauförderung "Soziale Stadt" am Johannisplatz und am Neuen Platz in Geretsried seien "noch nicht fertig": So lautete die milde Variante der Auswertung, die der Wirtschafts- und Sozialgeograf Rafael Stegen (Salm & Stegen) im Rathaus vorlegte. An einer Stelle formulierte er es härter: Bisher sei nur "ein wenig soziale Kosmetik" geleistet worden. Am Ende einer teils aufgeregten, intensiven Debatte beschloss der Stadtrat bei zwei Gegenstimmen (Gerhard Meinl, CSU, und Lorenz Weidinger, FW), die Städtebauförderung an beiden Plätzen fortzuführen; ein Quartiersmanager soll die Arbeit dort sowie beim neuen Projekt im Stadtteil Stein begleiten.

Stegen legte in seiner Evaluation dar, am Johannisplatz seien zwar bauliche Schwächen behoben worden, dagegen seien gerade die sozialen Aspekte offen, vor allem die angestrebte "Harmonisierung des nachbarschaftlichen Zusammenlebens". Bürgermeister Michael Müller (CSU), Anwohner des Johannisplatzes, stimmte zu: "Der soziale Aspekt dort ist aus meiner Sicht nicht gelungen." Der Grundkonflikt zwischen Alt und Jung sei nicht gelöst, vielmehr seien einfach die Kinder vom Platz vertrieben worden.

Am Neuen Platz sieht Stegen das Gesamtbild besser; er werde jetzt trotz aller Kritik von mehr Nutzern angenommen. Doch auch dort hat der Fachmann zahlreiche Defizite festgestellt, darunter Atmosphärisches ("Eindruck von Versiegelung") wie Konkretes - der Platz ist nicht blinden- und sehbehindertengerecht.

Robert Lug (FW) zeigte sich entsetzt von dem Vortrag. Nach all der Bürgerbeteiligung, unzähligen Workshops und hohen finanziellen Investitionen müsse sich der Stadtrat nun offenbar die Note sechs geben, sagte er und fragte: "Ja, zefix, was haben wir denn da gemacht die ganzen Jahre?" Lug und sein Fraktionskollege Weidinger, aber auch Meinl sprachen sich gegen einen dauerhaften Prozess "Soziale Stadt" an den beiden Plätzen aus; dies sei nicht die Aufgabe des Stadtrats. Meinl sagte, die Stadt müsse nicht "bei allen die Händchen halten". Kerstin Halba (SPD) erwiderte: "Wenn nicht die soziale Arbeit - was ist dann die Aufgabe von Stadträten!" Diese seien für ein funktionierendes Zusammenleben verantwortlich.

Stegen stellte schließlich noch einmal klar, dass er den Prozess weder mit "gut" noch mit "schlecht" bewerten wollte, er habe allerdings bisher "baulich investiv und nicht sozial integrativ stattgefunden". Die Stadt schreibt nun ein Quartiersmanagement von zusammen 20 Wochenstunden für Johannisplatz und Neuen Platz sowie von 39 Wochenstunden für Stein aus. Die Fortführung der Städtebauförderung von 2017 an wird bei der Regierung von Oberbayern beantragt.

© SZ vom 28.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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