Geretsried:Nicht alle satt machen, aber vielen helfen

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Beim Regionaltreffen entbrennt die Debatte, ob die Tafeln auch Lebensmittel zukaufen sollen

Immer mehr Arme beziehen Lebensmittel bei den Tafeln der Region, darunter immer mehr Flüchtlinge: Die Organisationen sehen sich vor eine Herausforderung gestellt, die sie tatkräftig anpacken wollen. "Es gibt keine Tendenz, dass das eine nicht zu bewältigende Aufgabe wäre", fasst Peter Grooten, Vorsitzender der Geretsrieder-Wolfratshauser Tafel, das Ergebnis des Regionaltreffens am Samstag zusammen. Rund 80 Vertreter von 40 Tafeln aus dem südbayerischen Raum waren in die Geretsrieder Ratsstuben gekommen, um Entwicklungen wie die steigende Kundenzahl zu beraten. Bei dem Treffen flackerte die Debatte auf, ob die Tafeln auch Lebensmittel zukaufen sollen.

Das Regionaltreffen von 40 lokalen Organisationen in den Ratsstuben. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Mehr als 1000 Menschen betreut etwa allein die hiesige Tafel: In Wolfratshausen musste ein Aufnahmestopp verhängt werden, in Geretsried kommen die Bedürftigen nicht mehr wöchentlich, sondern alle zwei Wochen zum Zug.

Die Verantwortlichen der Tafel sind sich laut Grooten darin einig, sowohl langjährige Kunden wie Flüchtlinge gleichermaßen zu berücksichtigen. Kein Redner bei dem Treffen habe gefordert, die angestammten Kunden vorzuziehen. Allerdings seien die Wege unterschiedlich. In Reichersbeuern etwa werde die Unterkunft "Am Kranzer" direkt beliefert. Davon sei man in Geretsried abgekommen, sagt Grooten. Dort müssten sich neben den langjährigen Kunden auch die Flüchtlinge wieder anstellen.

Mehr bedürftige Empfänger, aber nicht mehr Lebensmittel: der Vorsitzende der Geretsrieder-Wolfratshauser Tafel, Peter Grooten. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Unter die optimistische Grundstimmung des Treffens mischten sich unzufriedene Stimmen, berichtet Grooten. Einzelne Redner forderten, dass die Tafeln mit Spendengeld in größerem Stil Lebensmittel zukaufen sollten, um Bedürftige besser versorgen zu können. "Es macht eben mehr Spaß, mit vollen Händen zu verteilen", erklärt Grooten, der sich aber selbst gegen Zukäufe ausspricht -und sich damit im Einklang mit den bislang gültigen Grundsätzen der Organisation sieht. "Wir können nicht alle satt machen, aber viele unterstützen." Tafeln sollten übrig gebliebene Lebensmittel verteilen, um sie vor der Vernichtung zu retten, und nicht selbst zu Handelsunternehmen werden.

Zu schaffen macht den Verantwortlichen zudem die Diskussion um das Mindesthaltbarkeitsdatum. Debattiert wurde beim Regionaltreffen etwa über den "Aktionsplan gegen Lebensmittelverschwendung", den Malte Rubach vom bayerischen Landwirtschaftsministerium vorstellte. Sollte das Mindesthaltbarkeitsdatum abgeschafft werden, könnten weniger Lebensmittel zur Verteilung übrig bleiben. "Die Gefahr ist durchaus da", sagt Grooten. "Das könnte unseren Empfängern schaden." Grooten würde es hinnehmen, weil so weniger Lebensmittel vernichtet würden - und man wieder dem Grundsatz der Tafel-Bewegung näherkäme. Zumindest die Hilfsbereitschaft sei in der Region ungebrochen: Beispielsweise hätten die Geretsrieder und Wolfratshauser im vergangenen Jahr 1500 gefüllte Spenden-Tüten zu je fünf Euro in den Rewe-Filialen gekauft, die der Tafel überlassen wurden. Das entspricht einem Plus von 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Beschlüsse wurden bei dem Treffen der lokalen Organisationen nicht gefasst - auch, weil es noch keinen bayerischen Landesverband der Tafeln gibt. Dieser soll jedoch heuer gegründet werden, darin war man sich einig.

© SZ vom 04.04.2016 / dac - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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