Geretsried: Kulturherbst:Unter Erfolgsdruck

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Geretsried wird für zehn Tage zum kulturellen Zentrum des Oberlands. Die Stadt stellt für den Kulturherbst diesmal 176 000 Euro zur Verfügung - eine Summe, von der die Organisatoren bislang nur träumen konnten.

Bernhard Lohr

Erwin Pelzig kommt, Konstantin Wecker und Klaus Doldinger; und wer mit Kabarett, gehobener Liedkunst und Jazz nichts anfangen kann, kann sich das Historienstück "Aufstand!" ansehen, eine Lesung besuchen oder eine der diversen Ausstellungen. Geretsried wird vom 4. Oktober an zehn Tage lang zum kulturellen Zentrum des Oberlands.

Von alleine kommt das nicht. Die Verantwortlichen in der Stadt haben sich vorgenommen, zu klotzen statt zu kleckern. Die Stadt soll in der Region und gerne darüberhinaus als Hort der Kultur wahrgenommen werden. Bürgermeisterin Cornelia Irmer (parteifrei) spricht vom "Event der Super-Klasse". Die Stadt stellt dafür 176 000 Euro zur Verfügung - eine Summe, von der Kulturherbst-Macher bisher nur träumten.

Die im Kulturforum organisierten Künstler selbst haben bisher den Kulturherbst getragen. Im Jahr 2006 stellten sie diesen erstmals auf die Beine und ließen 2008 und 2010 weitere Veranstaltungsreihen mit Ausstellungen, Lesungen, Film- und Tanzvorführungen sowie Konzerten folgen, wobei die Stadt jeweils einige Tausend Euro zuschoss. 4500 Euro gab es laut Wolfram Weiße, einem der führenden Köpfe im Kulturforum, im Jahr 2010. Weiße findet es "toll", wie sich die Stadt neuerdings einbringt.

Dass sie gleich 176 000 Euro für den Kulturherbst vorschießt, war Weiße und Volker Witte, der auch Grünen-Stadtrat ist, allerdings unbekannt, obwohl beide Forumsmitglieder sind. Beide verweisen diesbezüglich auf Besprechungen im Rathaus, an denen sie nicht beteiligt seien. Dafür kümmerten sie sich, wie sie erzählen, dieser Tage ehrenamtlich darum, dass Künstler, etwa im ehemaligen Blumenfenster am Karl-Lederer-Platz, ausstellen. Die beiden nehmen Farbe und Pinsel in die Hand und sie haben Flugblätter für die Ausstellung von Überschüssen aus dem Kulturherbst 2010 finanziert.

So hätte es weitergehen können. Doch diesmal gibt es zwei Parallelwelten - mit Menschen, die Kunst wie früher auch ermöglichen, und denen, die das Programm für das Eventzelt verantworten. Zu letzteren gehört der Kabarettist Günter Wagner, der 2011 zum Sprecher des Kulturforums gewählt wurde. Wagner ist überregional in der Kulturszene vernetzt, kennt einige Manager und einige Künstler und hatte die Idee, das Festival auf eine andere Ebene zu hieven.

Als er im vorigen Jahr im Kulturausschuss des Stadtrats sein Konzept vorstellte, rannte er offene Türen ein. Zu dem Zeitpunkt ging es noch darum, auf der Böhmwiese für 50 000 Euro ein Mini-Tollwood aufzuziehen. Weil die Böhmwiese als Veranstaltungsort nicht taugt, ging man auf den Festplatz am Eisstadion. Am Ende verdreifachte die Stadt den Etat und stellte als Veranstalter laut Amtsleiterin Ute Raach das Geld in den Haushalt ein - in der Hoffnung, den Großteil wieder zu sehen.

Auch wegen der hohen Summe, die im Feuer steht, sind die Organisatoren jetzt zum Erfolg verdammt. Rund 140 000 Euro sollen nach Aussage von Amtsleiterin Raach wieder an Einnahmen zurückfließen. Wagner streitet die Anspannung gar nicht ab. Das Eventzelt an der Jahnstraße fasst 1000 Personen. Der Kartenverkauf läuft unterschiedlich. Der Auftritt des fernsehbekannten Erwin Pelzig ist ausverkauft, aber etwa für die Vorstellungen des aus Wagners Feder stammenden Stücks über die Sendlinger Mordweihnacht 1705 sind reichlich Plätze frei. "Die Sorge ist natürlich da", sagt Wagner. Doch abgerechnet werde am Schluss. "Die Leute drücken uns alle die Daumen."

Einer der mitdrückt, ist Kulturreferent Hans Ketelhut (CSU). Er stehe "voll" hinter dem Kulturherbst, sagt er. Es sei "höchste Zeit" gewesen, kulturell Flagge zu zeigen. Ketelhut macht keinen Druck, dass möglichst viel der vorgestreckten Summe wieder reinkommt. Bürgermeisterin Irmer hält die Vorleistung in der Höhe für gerechtfertigt. Schließlich handle es sich um eine "einzigartige Veranstaltung, die über zehn Tage ein umfangreiches Programm bietet".

Es kämen große Künstler in die Stadt. Eine bessere "Marketing-Strategie" könne sie sich nicht vorstellen. Der SPD-Vorsitzende Wolfgang Werner sagt, sollte das Defizit zu groß werden, werde die Bürgermeisterin auch unangenehme Fragen zu hören bekommen.

© SZ vom 25.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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