Geretsried:Jetzt geht's um die Wurst

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Die Aufsichtsbehörden erlauben der skandalgebeutelten Geretsrieder Großmetzgerei Sieber, wieder zu produzieren. Insolvenzverwalter Josef Hingerl muss aber erst einen Finanzier finden

Von Thekla Krausseneck, Geretsried

Die Geretsrieder Großmetzgerei Sieber darf wieder produzieren: Nach einer Begehung der Produktionsanlage an der Böhmerwaldstraße hat das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) das Betriebsverbot für den Wursthersteller aufgehoben. Die Fabrik wurde teilweise umgebaut und etwa durch Hygieneschleusen ergänzt, die verhindern sollen, dass Waren mit Bakterien in Kontakt kommen. Sieber hatte Ende Mai die Produktion einstellen und alle Waren zurückrufen müssen, nachdem auf manchen Produkten Listerien gefunden worden waren. Razzien, Ermittlungen und ein Insolvenzverfahren waren die Folge. Nun kann Sieber einen Neuanfang wagen. Im September soll der Betrieb wieder laufen, sagt Insolvenzverwalter Josef Hingerl - mit allen 120 Mitarbeitern.

Derzeit sieht der Verkaufspavillon auf dem Sieber-Gelände noch ein wenig trostlos aus: Leere auf den Regalbrettern und in der Tiefkühltruhe, nur ein paar Töpfe mit künstlichen Blumen sind zurückgelassen worden. Das kann sich nun wieder ändern - vorausgesetzt, Hingerl findet jemanden, der den Wiederaufbau bezahlen will. Dies könnte die Hausbank sein oder ein Investor. Bleiben soll nach Hingerls Dafürhalten Dietmar Schach, der ein "exzellenter Geschäftsführer" sei. "Ich habe keine Veranlassung, jemanden, der seinen Laden so gut im Griff hat, auf die Straße zu setzen", sagt Hingerl. Doch es fehlt an Geld. Wer die künftige Produktion finanzieren könnte, ist noch offen.

Der Betrieb selbst ist nach Ansicht der Aufsichtsbehörden jetzt fit für die Zukunft: Es gibt eine Hygieneschleuse mit Stiefelwaschanlage, ein Drehkreuz für Mitarbeiter und ein Ampelsystem zur Händedesinfektion. Dass es im Betrieb Hygienemängel gegeben habe, stimme jedoch nicht, sagt Hingerl: Der Fall sei nicht vergleichbar mit den Hygiene-Skandalen um die Firmen Bayern-Ei oder Müller-Brot. Das Landratsamt habe den Betrieb "ständig" überprüft. Wie die Listerien auf das Sieber-Fleisch gelangt seien, sei immer noch ungeklärt.

Sieber-Produkte wurden bundesweit in Geschäften wie Lidl, Norma, Rewe und Penny verkauft. Als im Jahr 2012 mindestens 80 Menschen im süddeutschen Raum an Listeriose erkrankten und davon acht Betroffene starben, untersuchten die Gesundheitsbehörden verschiedene Fleischprodukte auf einen bestimmten Listerien-Stamm, der für die Epidemie verantwortlich war. Fündig wurden sie nur auf Sieber-Produkten, die deshalb nach Überzeugung der Gesundheitsbehörden "mit hoher Wahrscheinlichkeit" der Auslöser für die Krankheitswelle waren. Infolge der bundesweiten Rückrufaktion - Hunderte Tonnen Fleisch mussten dabei vernichtet werden - und der Ermittlungen und Razzien im Betrieb sowie in Privatwohnungen meldete das Unternehmen Insolvenz an.

Insolvenzverwalter Josef Hingerl will auch den Betriebsleiter Dietmar Schach zurückholen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die 120 Mitarbeiter werden laut Hingerl in den Betrieb zurückkehren: Sie erhielten in den vergangenen drei Monaten so genanntes Insolvenzgeld. Von September an müsse der Betrieb wieder selbst dafür aufkommen. Spätestens im September muss sich ein Geldgeber gefunden haben. Daran, dass das klappt, zweifelt Hingerl nicht. Alle Mitarbeiter stünden bereit, um an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren - bis auf den Betriebsleiter, den die Sache sehr mitgenommen habe.

Die Gefahr, dass die Kunden sich nun aus Misstrauen von Sieber abwenden könnten, sieht Hingerl zwar. Umbenennen werde man die Firma trotzdem nicht, auch wenn die Überlegung im Raum gestanden habe. Sieber sei schließlich königlich-bayerischer Hoflieferant gewesen.

Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) und der Geretsrieder Bürgermeister Michael Müller (CSU) wünschen der Firma, dass es jetzt bergauf geht: Sieber habe sich "sehr viel Mühe" gegeben, um alle Auflagen zu erfüllen, sagt Niedermaier. Bis die Probleme begonnen hätten, habe die Großmetzgerei außerdem jahrelang "gute Arbeit" geleistet. Beide Amtsträger sind froh darüber, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben. So sieht es auch der SPD-Landtagsabgeordnete Florian von Brunn: Die Firma habe eine neue Chance verdient. Er kündigt an, Siebers Entwicklung sowie die der staatlichen Lebensmittelkontrolle weiter kritisch zu begleiten.

© SZ vom 25.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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