Geretsried:Im Namen des Vaters

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Das Publikum rechnete mit Familiärem über Strauß, doch Monika Hohlmeier sprach lieber über das Heute. (Foto: Pöstges)

Monika Hohlmeier trägt bei der CSU in aller Ausführlichkeit vor, was Franz Josef Strauß heute zu Europa sagen könnte

Von Thekla Krausseneck, Geretsried

Monika Hohlmeier war am Freitagabend gerade aus dem Flugzeug aus Kroatien gestiegen, da stand sie auch schon in den Geretsrieder Ratsstuben, wo eine Hundertschaft von Christsozialen gespannt auf ihren Vortrag wartete. Der sollte sich um Hohlmeiers Vater Franz Josef Strauß drehen, der, wäre er nicht schon 1988 gestorben, vor einigen Tagen 100 Jahre alt geworden wäre. Eine gute Gelegenheit also, so hatte es sich die CSU auch im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen gedacht, um noch einmal über den markanten Ministerpräsidenten nachzusinnieren - am besten im Rahmen eines "Insider-Berichts", eines "Blicks hinter den Blick der Öffentlichkeit", wie es der Landtagsabgeordnete Martin Bachhuber in seiner Vorrede ausdrückte. Womit zu diesem Zeitpunkt wohl noch niemand rechnete, war das enorme Redebedürfnis Hohlmeiers. Reden wollte sie nämlich offenbar dringend. Wenn auch nicht unbedingt über ihren Vater.

Anfangs war davon noch nicht viel zu merken: Hohlmeier sprach von Strauß, der Aktenköfferchen tragende Jungfunktionäre dazu anhielt, etwas Gescheites zu lernen; Strauß, der nie ein dominanter Vater, aber ein wandelndes Geschichtsbuch gewesen sei; Strauß, der auf eine Frage Gorbatschows, ob er denn schon mal in der Sowjetunion gewesen sei, geantwortet haben soll: "Nein, aber beim ersten Mal bin ich nur bis Stalingrad gekommen"; und Strauß, der aufgrund seiner Kriegserfahrungen ein Zusammenrücken in Europa immer herbeigesehnt habe. Zu diesen schlimmen Zeiten, die Europa derzeit durchmache, wüsste er wohl einiges zu sagen, meinte Hohlmeier - und sagte es an seiner statt selbst.

Und so deklinierte sie bis in den späten Abend hinein alle Aspekte dieser schlimmen Zeit durch: Das Verhältnis zu Russland etwa trage wieder die Züge eines Kalten Kriegs, jedoch unter veränderten Bedingungen, schließlich könne sich Russland jetzt der neuen Medien bedienen und "seine Propaganda übers ganze Land tragen". Nicht minder gefährlich: das Erstarken von Rechts- und Linksaußen, "eine der größten Ängste meines Vaters". Ob Frankreich, Großbritannien, Ungarn oder auch nur der NPD-Funktionär Udo Voigt im Europaparlament - überall sei zu beobachten, wie sich diese größte Angst verwirkliche. Und typisch sei es für Europa, merkte Hohlmeier an, dass es sich ausgerechnet in der Krise auseinander bewege, anstatt zusammenzuhalten. Wichtig sei, dass die EU die Außenpolitiken ihrer Staaten aufeinander abstimme und in der Entwicklungshilfe an einem Strang ziehe. Stabilisierung sei wichtig, schließlich habe die Praxis gezeigt, dass durch den Sturz eines Diktators wie Saddam Hussein nicht automatisch Demokratie einkehre. Übrigens komme ein Schuldenschnitt für Griechenland nicht in Frage: "Dann machen die ja weiter wie bisher!" Und was die Flüchtlinge angehe, so mache die "unkontrollierte Einwanderung" den Menschen Angst. Man müsse ja nur mal in das 1700-Seelen-Dorf Nickelsdorf blicken, die Freundschaftsgemeinde Geretsrieds, in die über Nacht 20 000 Menschen gekommen seien. "Wie hältst du die auf? Wie hältst du 50 000 Menschen auf, die einfach loswandern?"

Ihrem schweigend lauschenden Publikum war die Ermüdung bald anzusehen; das Ende der Veranstaltung gegen 22 Uhr nahm es teilweise mit erleichterten Gesichtern zur Kenntnis. Hohlmeiers Rechtfertigung zum Abschluss, dass auch ihr Vater über all diese Dinge nicht geschwiegen hätte, konnte daran nur wenig ändern.

© SZ vom 21.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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