Wer über den Geretsrieder Friedhof schlendert, kann es spüren: wie sehr Tod und Leben, bedächtige Stille und quirliges Lärmen, zusammengehören. Dieser Friedhof liegt ganz wunderbar - weitläufig und grün - in den Wald eingebettet; aber er grenzt eben auch an die Hauptverkehrsader der Stadt - die viel befahrene, laute Adalbert-Stifter-Straße. Man kann völlig versunken durch die Gräberreihen gehen, und doch hört man, sobald man aufmerkt, das vitale Treiben draußen. Ein guter Ort. Ein Ort zum Sinnieren.
Das sollen auch die Besucher der Ausstellung tun, die derzeit in der Aussegnungshalle des Friedhofs zu sehen ist. Eine Ausstellung mit dem schlichten Titel "Tod". Der evangelische Pfarrer Georg Bücheler hatte die Idee zu dieser Schau von Gemälden und bildhauerischen Arbeiten im ungewöhnlichen Ambiente. Bücheler, der seit 1997 in Geretsried lebt und arbeitet, sagt, er habe so viele Erfahrungen mit diesem Raum in der Aussegnungshalle, dass er Menschen hier einmal eine andere Form der Auseinandersetzung mit Leben und Tod ermöglichen wollte. So oder so gehe es "um viel mehr als um das Abschiednehmen". Vor allem um die Frage: Wie geht es nach dem Tod weiter? Alltags seien in der Aussegnungshalle die Pfarrer oder weltlichen Trauerredner die einzigen, die den Besuchern "etwas vorgeben", die ihnen Anstöße zur Auseinandersetzung mit Tod und Leben vermittelten. Aber es gebe ja auch andere Formen, dies zu tun: musikalisch oder künstlerisch.
Die Stadt Geretsried hat es übernommen, diese Ausstellung zu organisieren. Kulturamtsleiterin Anita Zwicknagl hat Künstler eingeladen, Kunstwerke entgegengenommen, sortiert, gehängt und gestellt. Als die ersten Bilder angebracht waren, sei er an einem dieser trüben Wintertage in den Raum gegangen, erzählt Bücheler, die Lampen seien nicht eingeschaltet gewesen, aber er habe trotzdem das Gefühl gehabt: "Das Licht ist an." Das sei wohl gekommen, weil Bilder an den Wänden hingen.
Die ersten Werke, die man beim Betreten der Halle wahrnimmt, sind die Standbilder der Eglinger Künstlerin Stefanie von Quast, die auf dem roten Cotto-Boden zwischen den schlichten hohen Kerzenleuchtern stehen. Diese im Wortsinn vielschichtigen Arbeiten haben Bücheler sehr beeindruckt - weil auch sie dem Raum eine völlig andere, sehr helle Atmosphäre gäben, sagt er. Stefanie von Quast erklärt den Aufbau der Bilder aus jeweils fünf Schichten: eine Holzlatte im Innern, mit Stoff bezogen und bemalt, darüber Seide, Gaze, Gardinenstoff und schließlich das äußere Acrylglas. Man kann sie von hinten wie von vorne betrachten, und sie lassen Licht durchscheinen. Diese Standbilder geben einen Standpunkt der Künstlerin zu interreligiösen Auseinandersetzungen wieder: "Wir glauben alle an denselben Gott", sagt sie. In die Bilder hat sie für jede der drei großen Religionen ein Symbol integriert: Kreuz, Menora, Halbmond.
Religiosität ist ein zentrales, aber keineswegs das einzige Thema in dieser Ausstellung. Am Eingang wird der Besucher von einem hölzernen Schutzengel von Hans Neumann begrüßt; im Innern gibt es beispielsweise eine Kreuzigungsszene im Stil der Naiven (Franz Blecha), einen Friedhofsengel in Schwarz-Weiß mit rotem Grablicht (Uwe Lischka) und einen köstlichen, in der Form aufs Wesentlichste reduzierten Alabaster-Engel (Marianne Süßbauer). Aber es sind auch andere Motive zu sehen. Zwei großformatige, in ihrer Wirkung starke Frauenköpfe, versonnen und von großer Würde (Bo Starker) oder abstrakte Bilder wie die von Daniela Koegler, Wolfram Weisse und Manfred Schmid, die Raum für die Fantasie lassen.
Man kann durch diese Ausstellung drinnen schlendern wie über den Friedhof draußen - andächtig im Angesicht des Todes.
Ausstellung "Tod", Aussegnungshalle auf dem Friedhof Geretsried, Adalbert-Stifter-Straße; Montag bis Donnerstag 8 bis 16 Uhr, Freitag 8 bis 12 Uhr, ausgenommen sind die Stunden, in denen eine Trauerfeier stattfindet; bis Pfingsten