Internet-Missbrauch:"Escapade" gegen Computersucht

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Beratungsstelle der Caritas steigt in niederschwelliges Beratungsprogramm ein. Es setzt schon im Frühstadium an, wenn die sozialen und familiären Folgen des Internet-Missbrauchs noch beherrschbar sind

Von Wolfgang Schäl, Geretsried

Was tun, wenn der Filius nicht mehr vom Computer wegzubringen ist und das Internet der eigenen Familie vorzieht? Wenn die Tochter sich lieber im Chatroom aufhält als im Wohnzimmer? Wenn das Familienleben an der allgemeinen Digitalisierung zu leiden beginnt, die schulischen Leistungen nachlassen und der soziale Zusammenhang bröckelt, ist genau die Krise ausgebrochen, die es nach Überzeugung der Geretsrieder Caritas-Fachambulanz für Suchtkranke und der Ökumenischen Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche der Caritas zu vermeiden gilt. Dort versucht man jetzt mit einem niederschwelligen Angebot neue Wege zu gehen und den Anfängen zu wehren, wenn das Kind noch nicht in die virtuellen Weiten des Internets abgetaucht ist.

"Escapade" heißt das Projekt, das seit 2011 schon in mehreren deutschen Städten angelaufen ist. Mit ihm tritt die Fachambulanz nun auch im Landkreis an die Öffentlichkeit, ab sofort sollen zuständige Ämter und Personen, etwa Jugendgerichtshilfe und Streetworker, Plakate und Informationsbroschüren erhalten. Die ersten drei Buchstaben des Namens "Escapade" sind rot und in Großbuchstaben gesetzt - sinnfällig für die Escape-Taste am Computer, die Ausstiegstaste aus unerwünschten Programmen. Sozialpädagogisch formuliert ist dies "ein familienortientiertes Interventionsprogramm bei problematischer Computernutzung Jugendlicher mit psychosozialen Folgen". Künftig wolle man gemeinsame Erfahrungen aus den Bereichen Jugendhilfe und Suchtberatung auswerten und für Synergien nutzen, erläuterten gestern Andreas Brommont, Leiter des Caritas-Fachdienstes für Erziehungsberatung, und Herbert Peters, Leiter der Suchtberatungsstelle, die angestrebte Strategie. Es sei "ein systemischer Ansatz", der auf die Familie als Ganzes abziele, anders gesagt: Es handle sich um "Frühintervention, nicht um ein Behandlungsmodul".

Das Eintauchen in die digitale Welt kann massive familiäre und soziale Probleme nach sich ziehen. Dem will die Caritas vorbeugen. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Die Intervention gliedert sich in drei Stufen: Am Beginn steht ein "Erstgespräch" mit der Familie, in dem es darum gehen soll, die Teilnahmebereitschaft an dem Projekt zu fördern, die familiäre Situation abzuklopfen und Vertrauen zu stärken. Danach wird zu einem "Familienseminartag" eingeladen, der erstmals am 22. November stattfindet und sich an Familien mit Kindern im Alter von 13 bis 18 Jahren richtet, sofern man dann noch von Kindern reden kann. Hier sollen Barrieren abgebaut, Kommunikation gestärkt und "Kompetenzen erworben" werden. Gedacht ist beispielsweise an Rollenspiele, die schlussendlich zum Ziel haben, dass sich die Familienmitglieder auf einen überschaubaren Katalog von maximal fünf, von allen Seiten akzeptierten "Regeln und Vereinbarungen" verständigen. Dem sollen in einem dritten Schritt dann ein oder bei Bedarf mehrere Abschlussgespräche folgen. Dies alles sei ein von der Fachhochschule Köln evaluiertes, nachhaltiges Konzept, stellen die Caritas-Berater fest. Ein Vorteil sei es, dass diese Form der Intervention vom zeitlichen Aufwand her durchaus überschaubar und praktisch gut machbar sei.

Wer sich beteiligen möchte, sollte es sich bald überlegen, Deadline für Anmeldungen ist am Freitag, 7. November. Bei Bedarf sollen notfalls Wartelisten aufgestellt werden. Ansprechpartner sind Jugend-Suchtberater Florian Dreifürst, Telefon 08041/79316144 oder 08171/983048, sowie der Diplom-Pädagoge Christian Hoffmann, Telefon 08041/793166130.

© SZ vom 08.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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