Geretsried:CSU hält sich an Luther

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Wahlanalyse im Gasthof Geiger: Geretsrieder Ortsverband will dem Volk wieder mehr "aufs Maul schauen"

Von stephanie schwaderer, Geretsried

Wie lässt sich die Talfahrt der CSU stoppen? Diese Frage hat den CSU-Ortsverband Geretsried am Sonntagvormittag bei seinem Stammtisch im Gasthof Geiger beschäftigt. Nach einer einstündigen Wahlanalyse des Ortsvorsitzenden Ewald Kailberth - Fazit: "Wir sind noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen" - entspann sich eine teils hitzige Diskussion darüber, wie man "dem Volk wieder aufs Maul schauen" könnte.

Das Luther-Zitat hatte ein neues CSU-Mitglied in die Runde geworfen: Josef Orthuber, Chefarzt am Wolfratshauser Kreisklinikum, nutzte die Gelegenheit, sich der Runde vorzustellen und zu empfehlen. Als gebürtiger Niederbayer folge er dem Grundsatz: "Wenn es kracht und scheppert, soll man sich bekennen", sagte er. Nachdem er 27 Jahre in Wolfratshausen gelebt habe und vor zwei Jahren nach Geretsried gezogen sei, wolle er sich nun in den Dienst der CSU stellen. Deren Fähigkeit, dem Volk aufs Maul zu schauen, habe stark nachgelassen. Nun müsse man den Wählern wieder glaubhaft vermitteln, dass Kindergärten und Schulen, die Altenpflege oder der Bereich Wohnen in Bayern durchaus funktionierten.

Heinz Wensauer, ein streitbarer Rentner aus Wolfratshausen, empfahl, sich bei den Grünen abzuschauen, welche Themen die Leute interessierten. Es sei falsch, immer nur aufs Wachstum zu blicken, sagte er. "Wir können nicht weiter dem Siedlungsdruck aus München nachgeben, mit dem wir nicht fertig werden." Bürgermeister Michael Müller konterte, es sei leicht, "gegen das Wachstum zu wettern, wenn man als reicher Rentner in einem warmen Nest sitzt". Die Ansiedelung von Firmen sei für Geretsried ebenso notwendig wie die Schaffung bezahlbaren Wohnraums. Innerhalb der Gesellschaft gebe es ein Wohlstandsgefälle. Allein die Tatsache, dass Menschen auf die Tafeln angewiesen seien, sei "ein Anachronismus". Ebenso wie einige andere CSU-Mitglieder forderte er einen Neuanfang auf Bundesebene: "Wir müssen Köpfe austauschen. Merkel muss weg. Weg mit der!"

Applaus bekam er auch für eine vehemente Medienschelte. Selbst in Geretsried sei keine freie Meinungsäußerung mehr möglich, weil man "von der Medienmacht niedergewalzt" werde, so Müller. Einzig Wensauer widersprach an dieser Stelle: "Wir haben hier eine freie Diskussion."

Kailberth verwies darauf, dass Geretsried auf Industrie und Steuereinnahmen angewiesen sei. Nur so ließen sich Investitionen wie das neue Hallenbad, die Erweiterung der Mittelschule oder das geplante Bürgerhaus in Stein finanzieren. Dass die CSU bei den Landtagswahlen nur auf 37,7 Prozent der Erststimmen und 39,5 Prozent der Zweitstimmen gekommen ist, führte er vor allem darauf zurück, dass Bundesthemen im Vordergrund gestanden hätten.

© SZ vom 29.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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