Wirtschaft:Boshoku wandert ab

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Der Automobilzulieferer gibt seinen Geretsrieder Firmensitz auf und verlegt die Produktion nach München. Nur rund 30 der ursprünglich 200 Mitarbeiter behalten ihren Job in der neuen Niederlassung

Von Claudia Koestler, Geretsried

Es ist ein schmerzhafter Abschied auf Raten und ein Schlag mit Ankündigung für den Wirtschaftsstandort Geretsried: Seit Ende 2012 war bereits bekannt, dass der Automobilzulieferer Boshoku Automotives Europe, der seinen Hauptsitz derzeit noch am Geretsrieder Dieselweg hat, seine hiesige Produktion bis zum März 2015 einstellen wird. Die ersten Kündigungen wurden bereits im Juli und August 2012 verschickt. Nun aber haben auch die verbliebenen der einstmals annähernd 200 Geretsrieder Mitarbeiter ihre Kündigungen in der Post vorgefunden. Lediglich rund 30 Mitarbeiter der Verwaltung und der Entwicklungsabteilung werden in einer neu aufzubauenden Niederlassung der Boshoku am Sapporobogen in München übernommen. Der Standort Geretsried mit seinen mehr als 22 000 Quadratmetern Produktionsbereich, in dem Innenverkleidungen für diverse Automobilmarken gefertigt wurden, löst sich dann auf.

Gegründet wurde das Geretsrieder Werk einst 1947 als Empe. 1997 allerdings ging das Unternehmen an die Firma Findlay Industries und wurde 2004 wiederum vom österreichischen Unternehmen Polytec geschluckt. Im Juli 2011 übernahm schließlich Boshoku Automotives Europe, die zur Firmengruppe von Toyota gehört, das Werk. Mit der Transaktion wollte der japanische Fahrzeughersteller versuchen, die europäische Zulieferungen in der Automobilbranche selbst in die Hand zu nehmen. Doch wirtschaftlicher Druck machte dem Geretsrieder Zuliefererbetrieb von Beginn an zu schaffen. Denn das Unternehmen war in hohem Maße von den Vorgaben der Automobilhersteller abhängig, die selbst immer härterem Konkurrenzkampf und Wettbewerb ausgesetzt sind und dies an Zulieferer weitergeben.

Der Boshoku-Standort am Dieselweg in Geretsried schließt. Dort hat das Unternehmen einen mehr als 22 000 Quadratmeter großen Produktionsbereich. (Foto: Pöstges)

Auch wenn Sascha Dressel, Generalmanager für strategische Entwicklung bei Boshoku in Geretsried, "keine Aussage" macht zur weiteren Zukunft von Werk und Mitarbeitern: Für Geretsried ist die Entscheidung, den Standort aufzugeben, einschneidend: "Denn klar ist, dass Boshoku viele Beschäftigte hatte und deshalb ein wichtiger Arbeitgeber war", sagt die Geretsrieder Wirtschaftsförderin Annette Hilpert. Als sie das Amt im Rathaus übernahm, "war allerdings bereits klar, dass die Boshoku den Standort verlassen werden". Gespräche zwischen dem Unternehmen und der Stadt hätten ihres Wissens nicht stattgefunden: "Ich will nicht sagen, dass es gar keinen Kontakt gab, aber zumindest war es wenig", so der Eindruck von Hilpert. Und das, obwohl es seitens der Stadt und der damaligen Bürgermeisterin Cornelia Irmer "durchaus immer wieder Versuche gab, in Kontakt zu kommen". Aber auch die Tatsache, dass die Geschäftsführung von Boshoku in Japan saß, habe den Kontakt "nicht gerade intensiviert". Das Interesse der Japaner ist nach Ansicht von Hilpert "wohl geringer an der Region gewesen, als es vielleicht bei einem hier verwurzelten Unternehmen der Fall gewesen wäre".

Allerdings gehört Boshoku lediglich das Werk, nicht aber das Grundstück, auf dem es liegt. Dieses ist seit 1997 im Besitz der Münchner Dibag Industriebau, die bundesweit Industrie-Immobilien vermietet und verwaltet.

Was folglich mit dem Werksgelände von mehr als 57 000 Quadratmetern geschehen wird, ist derzeit noch offen. "Wir arbeiten allerdings eng mit der Dibag zusammen, was die mögliche Umnutzung oder Weiternutzung des Geländes anbelangt", sagt Hilpert. Auch wenn sie zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts Konkretes sagen könne: Beide Seiten seien "bemüht, dem Standort neues Leben einzuhauchen", verspricht die Wirtschaftsförderin.

© SZ vom 27.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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