Geretsried:Aggressiv militant

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Rechtsextremismus-Experte warnt vor Nazi-Organisation, die in Geretsried Flugblätter verteilt hat

Von Thekla Krausseneck, Geretsried

Damit sich Neonazi-Organisationen wie "Der III. Weg" nicht etablieren können, komme es auf wachsame und sensibilisierte Bürger an, sagt Marcus Buschmüller von der Fachinformationsstelle gegen Rechtsextremismus in München. In Geretsried, wo Ende April ausländerfeindliche Flyer der Neonazi-Gruppierung verteilt worden waren, könnte man so verhindern, dass sich ein Kreis- oder Ortsverein bilde. Bei den Verteilern des Flyers handele es sich wohl um Angehörige des Münchner Ablegers des "III. Wegs", vermutet Buschmüller.

Dieser sei eine "aggressiv militante" und "gewaltaffine" Organisation, warnt Buschmüller. Gezeigt habe das etwa eine vom "III. Weg" organisierte Demo am 1. Mai in Saalfeld, bei der es zu Angriffen auf Gegendemonstranten und Polizisten gekommen sei. In Gilching sei eine Pro-Asyl-Veranstaltung der Grünen abgebrochen worden, nachdem "III. Weg"-Mitglieder des Münchner Stützpunkts sie zu einer Propaganda-Veranstaltung umfunktioniert hatten. Die Neonazis mischten sich unter das Publikum und ergriffen das Wort, um ihre kruden Thesen zu verbreiten. Auch die Flugblätter in Geretsried wurden möglicherweise von den Münchner Neonazis verteilt.

Wie schnell sich Neonazis reorganisieren, zeigt die Geschichte des "III. Wegs". Im Sommer 2013 fand eine Razzia gegen Mitglieder des Freien Netzes Süd (FNS) statt, im Sommer 2014 wurde das Verbot ausgesprochen, seit Herbst 2014 gibt es den "III. Weg". Dessen Programm entspreche eins zu eins dem des FNS, sagt Buschmüller. Die Neonazis hätten dazugelernt: "Der III. Weg" sei kein loser Verbund mehr, sondern als Partei angemeldet und inzwischen zugelassen worden. Eine Partei lasse sich nicht so einfach verbieten wie ein Verein. Deshalb müsse vor allem verhindert werden, dass sich die Neonazis in Form von Kreis- und Ortsverbänden organisierten.

Asylbewerber zählen zu den Schwerpunktthemen der Neonazi-Gruppierung. "Überall, wo das Thema akut ist, tauchen die früher oder später auf", sagt Buschmüller. Weil die Anzahl der Flüchtlinge stetig ansteige, wachse der Unmut unter den Anwohnern, die dann mit Gegenaktionen darauf reagierten, etwa in Form einer Facebook-Seite - obwohl sie eigentlich keine Neonazis seien. Den Unmut mache sich der "III. Weg" zunutze.

Dass aus den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes keine rechtlichen Konsequenzen gezogen werden, ärgert Buschmüller. Der bayerische Verfassungsschutz bezeichnet den "III. Weg" in seinem Bericht für 2014 selbst als Sammelbecken für ehemalige FNS-Mitglieder, ein neues Verbotsverfahren aber ist bislang nicht eingeleitet worden. "Je länger man wartet, desto mehr etablieren sich die Strukturen", sagt Buschmüller. "Es wird nur schwieriger, gegen die vorzugehen." 2016 etwa wolle die Partei bei Wahlen in Rheinland-Pfalz antreten. Es sei daher Sache einer aufmerksamen und sensibilisierten Bevölkerung zu verhindern, dass sich Treffpunkte etablierten. Gefestigte Strukturen hätten ihren Anfang oft in nicht öffentlichen Stammtischen, sagt Buschmüller. Wer eine solche Versammlung wahrnehme, solle die Wirte informieren, damit diese die Stammtische unterbinden könnten. Auch solle man an die Behörden appellieren, "entsprechend der vorhandenen Erkenntnisse zu handeln".

Zur Anzeige gebracht wurde bei der Polizei Geretsried inzwischen auch eine Visitenkarte der "Identitären Bewegung", die islamfeindliche Aktivisten in einem Briefkasten hinterlassen hatten. Weil bislang jeweils nur ein Flyer des "III. Wegs" und eine Karte der "Identitären Bewegung" zur Polizei gebracht worden sind, glaubt der Geretsrieder Dienststellenleiter Walter Siegmund nicht, dass die Propagandablätter großflächig verteilt wurden. Die meisten Empfänger würden sie wohl einfach in den Müll werfen, statt sie bei der Polizei abzugeben.

© SZ vom 15.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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