Genossen wollen bezahlbares Wohnen:Zu teuer für die Jungen

Lesezeit: 2 min

Angelika Graf und Klaus Barthel erläuterten ihre Ideen zur Behebung der Wohnungsnot und steigenenden Mietpreise. (Foto: Manfred Neubauer)

Bundestagsabgeordneter Klaus Barthel warnt in Lenggries vor einem Sterben der Dörfer. Die SPD setzt auf sozialen Wohnungsbau auch auf der "grünen Wiese" und stärkere Verdichtung

Von Petra Schneider, Lenggries

Was der Bundestagskandidat Hannes Gräbner in seinem Wohnort Holzkirchen erlebt hat, ist keine Seltenheit: Die Kommune fand keine Kindergärtnerinnen, weil die sich die Mieten nicht leisten konnten. Der Siedlungsdruck, der von München aus auf die Umlandgemeinden wirkt, ist hoch. Die Folge: galoppierende Grundstückspreise, knappe Wohnungen und hohe Mieten. Viele Kommunen suchen nach Lösungen, um Wohnraum zu schaffen und gleichzeitig ihre dörfliche Identität zu wahren.

Auch die Sozialdemokraten im Landkreis machen sich Gedanken, denn bezahlbarer Wohnraum sei ein "ur-sozialdemokratisches Thema", sagte die Bundesvorsitzende der AG 60 plus, Angelika Graf, am Montag im Gasthaus Wieserwirt. Der scheidende Bundestagsabgeordnete Klaus Barthel warnte vor dramatischen Konsequenzen: "Die Dörfer sterben aus, weil die Alten wegsterben und sich die Jungen keine Wohnungen mehr leisten können."

Einfamilien- und Doppelhäuser sind nach Ansicht der Genossen kein Modell für die Zukunft. Sie fordern mehr Verdichtung und Aufstockung. Neue Wohnformen wie barrierefreie Mehrgenerationenhäuser müssten realisiert werden. Auch auf der grünen Wiese müsse Wohnraum entstehen, samt der nötigen Infrastruktur für Familien, aber auch für Ältere: Nahversorgung mit Lebensmitteln, Kitas, Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen sowie eine Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Sozialer Wohnungsbau sei auch in kleinen Kommunen nötig; Instrumente wie die Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN), die bei der Umwandlung von Grün- in Bauland einen festgelegten Anteil für sozialen Wohnungsbau vorsieht, seien dafür geeignet. Auch eine bessere Zusammenarbeit zwischen München und den Umlandgemeinden wurde gefordert.

Etwa 20 Interessierte waren zu der Veranstaltung mit dem Thema "Wohnen und leben auf dem Land" gekommen, zu der die Kreis-SPD eingeladen hatte. Sie diskutierten mit Graf und Barthel sowie mit dem Bundestagskandidaten Gräbner. Graf plädierte für eine stärkere Berücksichtigung von Senioren. In Lenggries werde bis zum Jahr 2034 die Anzahl der über 65-Jährigen um 43 Prozent steigen. Die Infrastruktur in Neubausiedlungen müsse an eine alternde Gesellschaft angepasst werden, "sonst hilft das schönste Wohnbaugebiet nichts." Das Wohnen der Zukunft müsse barrierefrei sein - und bezahlbar.

Denn auch Normalverdiener könnten sich die teuren Mieten in München nicht mehr leisten und wichen auf das Umland aus. Das konnte die Lenggrieser SPD-Ortsvorsitzende Luise Gams bestätigen: Die Zahl der Pendler sei in Lenggries enorm. "Münchner mit Superjob können sich auch 2000 Euro Miete leisten." Das treibe in der Gemeinde die Preise in die Höhe. "Solange München das Problem hat, haben wir das Problem auch."

Dem widersprach Barthel: München baue die meisten Wohnungen in der Region, viele Kommunen im Umland stünden dagegen "auf der Bremse". Statt gegenseitiger Schuldzuweisungen müsse es einen Dialog darüber geben, was jeder beitragen könne. Denn nicht nur Geringverdiener seien betroffen: "Bei vielen wird inzwischen die Hälfte des Einkommens von der Miete gefressen". Der Druck auf die Landespolitik müsse erhöht werden, "damit die Kommunen mit dem Problem nicht alleine gelassen werden."

Um Neubaugebiete an den Rändern werde man nicht herumkommen, sagte Gabriele Skiba vom SPD-Kreisvorstand, "auch, wenn wir die Idylle mit Einfamilienhäusern nicht kaputt machen wollen". Verdichtung sei nötig, und Geschossflächen-Vorgaben dürften in den Gemeinden kein "Heiligtum" sein.

Geretsried mache es beim Karl-Lederer-Platz richtig. "Die bauen in die Höhe, und das werden wir auf dem Land auch machen müssen." Nach Ansicht von Gräbner ist in den Gemeinden bereits ein Umdenken im Gange. "Nur auf Landesebene fehlt mir das völlig." So sei seit Jahren bekannt, dass Sozialwohnung aus der gesetzlichen Bindung fallen - mehr, als neue gebaut würden. Geschehen sei aber zu wenig.

© SZ vom 13.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: