Freihandelsabkommen lokal:Was Südamerika mit Bad Heilbrunn zu tun hat

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Der Vorsitzende des Kreisbauernverbands Peter Fichtner hat vier SPD-Politiker auf seinen Hof geladen, um vor dem geplanten Freihandelsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten zu warnen. Er sieht die bayerischen Kleinbauern in ihrer Existenz bedroht

Von Nora Schumann, Bad Heilbrunn

Artenschutz in Bayern ja bitte, international aber nein danke - wie geht das zusammen? Zu dieser Frage hat die Geschäftsstelle des bäuerlichen Kreisverbands Bad Tölz-Wolfratshausen von politischen Vertretern des Kreistags eine Stellungnahme angesichts des europäischen Freihandelsabkommens mit den Mercorsur-Staaten in Südamerika gefordert. Das Abkommen "importiert die Regenwaldrodung", stellt der Kreisvorsitzende des Verbands, Peter Fichtner, fest.

Als Mercosur wird der Gemeinsame Markt Südamerikas bezeichnet, ein Binnenmarkt ähnlich der EU in ihren Anfängen. Die EU und der Staatenbund Mercosur planen mit dem Mercosur-Abkommen die weltweit größte Freihandelszone. Im Zuge des Abkommens mit den Mercosur-Ländern Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay sollen Zölle schrittweise abgebaut werden, wodurch sich Befürworter höheren Wohlstand und Wirtschaftswachstum versprechen.

Peter Fichtner hingegen sieht sich als bayerischer Kleinbauer in seiner Existenz bedroht, denn Brasilien und Argentinien wollen vor allem Soja und Fleisch an die EU verkaufen. Er befürchtet eine Schwemme auf die europäischen Märkte. Außerdem gelten in diesen südamerikanischen Ländern andere Bestimmungen für Pflanzenschutzmittel und Gentechnik, betont er. "Mit dem Artenschutz auf heile Welt machen" und gleichzeitig die Regenwaldvernichtung zu fördern, da sei jede Klimadiskussion "scheinheilig und verlogen", beklagt Fichtner. FDP, Grüne und SPD hätten sich in einer Stellungnahme gegen das Abkommen ausgesprochen, bei der CSU stehe eine abschließende Beurteilung noch aus, fasst er die Antworten auf die Anfrage des Kreisverbands zusammen.

Vertreter der SPD wollten es nicht darauf beruhen lassen und sich nach der parlamentarischen Sommerpause direkt vor Ort über die Lage der Landwirte informieren. Dem Gesprächsangebot hatte der Kreisobmann zugestimmt und auf seinen Milchviehhof in Bad Heilbrunn eingeladen, um einen Einblick zu Problemen und Herausforderungen der kleinbäuerlichen Landwirtschaft zu geben. "Mit Reden kommt man nur im kleinen Kreis weiter" zeigt sich Fichtner überzeugt, für alles andere sei er "schon zu lange im Geschäft", als dass er Ansprachen vor einer großen Zuhörerschaft Glauben schenke.

Gekommen sind an diesem Nachmittag neben den Landtagsabgeordneten Florian von Brunn und Ruth Müller auch der Stadtrat Manfred Menke, Bürgermeisterkandidat in Wolfratshausen, und die Landratskandidatin Filiz Cetin. Fichtner führt durch Stall und Weide - regionale, nationale und europäische Entwicklungen der Agrarpolitik rezitierend. "Die nächste Generation braucht nebenbei einen Vollzeitjob, um Landwirt zu sein", sagt er, seine Zuhörer nicken betroffen. Einig ist man sich, dass es so nicht weitergehen kann. "Wenn wir die Entwicklung nicht stoppen, gehen die Orte kaputt", zeigt sich Florian von Brunn überzeugt. Er stamme selbst von einem Bauernhof und erinnere sich: "Für mich war es selbstverständlich, dass die Kühe ausgetrieben werden." Heutzutage beschwerten sich Autofahrer, wenn eine Kuhherde die Straße passiere und den Verkehr aufhalte.

Peter Fichtner (3.von links) im Gespräch auf seinem Hof. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Landtagsabgeordnete wünscht sich eine Neuordnung der Agrarpolitik, will aber auch den deutschen Einzelhandel stärker in die Verantwortung nehmen. Ruth Müller setzt auf Aufklärung der Bevölkerung und sieht die europäische Flächenförderung als grundlegendes Problem. Dass selbst der Deutsche Bauernverband sich nicht ausdrücklich gegen die derzeitige Flächenförderung stellt, quittiert Fichtner mit einem gequälten Lächeln. Der Bauernverband bestünde schließlich nicht nur aus bayerischen Interessensvertretern, einige der 16 Unterverbände der Bundesländer und die norddeutschen Agrarriesen hätten ein Interesse daran, die Flächenförderung beizubehalten, springt von Brunn dem Kreisobmann bei.

So mischt sich auf dem Hofe Fichtner der Ärger über die europäische Agrarförderung mit den Bedenken zum Freihandelsabkommen und dem Frust über die Milchpreisentwicklung. Was man denn als Kommunalpolitiker gegen das Abkommen tun könne, fragt Manfred Menke den Kreisobman Fichtner schließlich. So richtig weiß darauf niemand eine Antwort - Bewusstsein schaffen sei der richtige Ansatz, findet Müller. Fichtner hofft auch darauf, die Abgeordneten als Parteimitglieder zu sensibilisieren, damit sie auf ihre Kollegen auf Bundesebene einwirken.

Eine ähnliche Strategie verfolgt Hans Urban, Landtagsabgeordneter der Grünen. Leider habe die grüne Landtagsfraktion wenig Möglichkeiten im aktiven Vorgehen gegen das Mercosur-Abkommen, teilt er mit. "Uns bleibt nur, lautstark an Bundesregierung und EU-Abgeordnete zu appellieren, sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein. Wir tun das mit Nachdruck."

In Bad Heilbrunn einigt man sich schließlich darauf, die Gespräche in der Stube beim Kaffee fortzusetzen: über Agrarpolitik, Bewusstseinsbildung und Hilflosigkeit.

© SZ vom 17.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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